Wiediker Brocki-Land muss raus aus der Garage

Erstellt von Beni Frenkel |
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Dem unterirdischen Brocki-Land wird der Stecker gezogen. Die Chefin hat von der Garage-Besitzerin die Kündigung erhalten. Nun stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Das Brocki-Land an der Steinstrasse ist Zürichs grösstes Brockenhaus. Hunderte Kundinnen und Kunden kommen jeden Tag hier vorbei und suchen in der Tiefgarage ihr Glück. Schweizer, Ausländer, Ausgesteuerte, Händler und Yuppies. Sie suchen Bilderrahmen, Bücher, Plattenspieler und finden alte Knoblauchpressen, Mäntel und Zinkpokale. An der Kasse dann wird gefeilscht, gekämpft, geflucht und gelacht.

Ende November ist es damit vorbei. Die Chefin, Melanie Morf, hat von der Besitzerin der Garage die Kündigung erhalten. Die zweigeschossigen Flächen sollen als Möbellager genutzt werden. Auf dem bisher unbebauten Grundstück sollen Wohnungen entstehen, teilte Morf an Anfrage mit. Für die 43-Jährige war diese Nachricht ein Schock. Man überlege, im Notfall die Kündigung auf April zu strecken. Sie sucht nun seit mehreren Monaten nach neuen Verkaufsflächen in der Stadt Zürich oder in der Umgebung. Mindestens 1000 Quadratmeter gross sollte das Wunschobjekt sein, ausserdem mit dem ÖV gut erreichbar sein und Parkplätze für den Warenumschlag anbieten.

«Da bin ich wie mein Vater»

Finde man nichts, seien ein Viertel der 40 Arbeitsplätze von der Kündigung betroffen. «Ich gebe nicht auf», lächelt die Chefin traurig, «da bin ich wie mein Vater.» Mike Morf ist der Gründer von Brocki-Land. In der besten Zeit führte er viele Brocki-Land-Filialen und beschäftigte über 100 Mitarbeiter. Darunter einige, die durch alle sozialen Auffangnetze gefallen waren und nirgends einen Job fanden. Mike Morf erlitt vor vier Jahren einen Schlaganfall. Plötzlich mussten seine Frau und die Tochter den Betrieb übernehmen. Die beiden Frauen mussten Verträge aushandeln und sich von null auf hundert in die Materie stürzen.
Die laufenden Kosten sind immens. Alleine für den Standort an der Steinstrasse müssen sie pro Monat 18 000 Franken Miete aufbringen. Dazu kommen Löhne, Benzin, Sozialabgaben. Am Ende erscheint irgendwie eine schwarze Null, weil der Standort im Quartier Wiedikon ideal gelegen ist und viel Laufkundschaft anzieht.
Von der Stadt Zürich erhält das Brocki-Land keine Unterstützung. Für die Morfs ist das Ehrensache. Nur manchmal wundert sich die Chefin über die Mehrwertsteuer, die auf alle verkauften Artikel nochmals erhoben wird. Der Staat verdient also zweimal pro Artikel. In schwierigen Momenten verwandelt sich die Verwunderung in Verärgerung.

Plan B: Aargau

Wie es nun weitergeht, weiss sie nicht. Sie erhalte verzweifelte Anrufe von Kunden. Manche würden nur weinen, andere hätten einen Geheimtipp. Bei näherer Betrachtung würden sich die erwähnten Liegenschaften aber doch nicht eignen.

Findet sie in den nächsten Tagen und Wochen keine Verkaufsräume in Zürich, würden sie im aargauischen Zufikon etwas aufziehen. Dort hätten sie etwas gefunden, sagt Morf. Starten könnten sie bereits Anfang Oktober. Allerdings: Der Umsatz in dieser 4000-Einwohner-Gemeinde werde ein anderer sein als im trendigen Wiedikon.

Melanie Morf seufzt. Der Abschied aus der Stadt Zürich würde sie sehr schmerzen, sagt sie. Vor allem, wenn sie an das Schicksal ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter denkt.