Wie weiter mit dem privatisierten PubliBike?

Erstellt von Lorenz Steinmann |
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Die Post hat ihr Veloverleihsystem «Publibike» verkauft. Kein Wunder, nach den aufgelaufenen mindestens 11 Millionen Franken Defizit. Wie es nach ­Ablauf des Vertrags mit der Stadt Zürich (unter dem Namen «Züri Velo») weitergeht, ist offen. Zur Rettung sind wohl Subventionen nötig.

Eigentlich ist das Veloverleihsystem PubliBike eine gute Sache. Man braucht kein eigenes Velo und kann trotzdem von A nach B radeln. Doch weil die Velos wieder zurück an eine Velostation müssen und weil es mittlerweile flotte Elektro­trotties als Alternative gibt, kommt PubliBike nicht vom Fleck. Schon 2019 machte die Eidgenössische Finanzkontrolle ein aufgelaufenes Defizit von damals 11 Millionen Franken publik. Auch seither hat die Post mit der Idee von ausleihbaren Fahrrädern nochmals tüchtig Geld verloren. Seit dem Start vor 11 Jahren hat sie kein einziges Mal schwarze Zahlen geschrieben, wie das Unternehmen auf Anfrage bestätigt. Dabei wird der bisherige Staatsbetrieb von vielen Gemeinden und Städten unterstützt. Durch Geldbeiträge oder Sachleistungen. Hinzu kommen hohe Sponsoringbeiträge, in der Stadt ­Zürich etwa von der Staatsbank ZKB. Ende Januar erfolgte dann der Befreiungsschlag: Das Unternehmen wurde an den Publibike-CEO, einen KMU-Velohändler und Guido Honegger (agri.ch, green.ch), verkauft. Der Preis bleibt Geheimsache.

Netzunterhalt durch die Stadt

Vor einmal Jahr zählte das Unternehmen 33 Mitarbeiter für 500 Velostationen. Heute sind es 32 Mitarbeiter für 620 Stationen. Weniger Mitarbeiter für mehr ­Stationen, wie das Onlineportal «Inside Paradeplatz» vorrechnete. Nur wer genauer hinschaut, erfährt zudem, dass die ausgewiesenen Mitarbeiter nur die halbe Miete sind. Allein die Stadt Zürich stellt 20 Mitarbeitende der «sozialen Einrichtungen und Betriebe» ab, die im Auftrag von PubliBike für den Netzunterhalt sorgen. Dafür wurden sogar spezielle, kleine Lastwagen konstruiert.  Unschön, wenn nicht sogar unlauter war schon der Einstieg von PubliBike in den umkämpften Markt vor über zehn Jahren. Private ­Firmen, welche bei den Ausschreibungen der Gemeinden und Städte mitboten, wurden mit einem simplen Kniff ausgebotet. PubliBike offerierte jeweils «gratis», versprach also, dass es für die Gemeinden und Städten keine Kosten gebe. Die Konkurrenz schäumte, verlor und ist heute zwangsläufig nicht mehr aktiv. «Gratis» bedeutete, dass PubliBike in der Hochblüte der «Bschiss-Affäre» (Deliktsumme 205 Millionen Franken illegal bezogene Subventionsgelder) von der Postauto AG gegründet und quersubventioniert wurde. Erst am 1. Januar 2021 übernahm die Post PubliBike von der Postauto AG. Laut einem NZZ-Artikel wird es darauf hinauslaufen, dass das Unternehmen beim Staat noch mehr die hohle Hand machen wird. PubliBike verspricht zwar, zumindest die Verträge, die meist bis 2023 oder 2024 dauern, einzuhalten. Doch danach will PubliBike eine staatliche Beteiligung. Allein in Zürich soll es um einen Betrag zwischen 1 und 2 Millionen Franken gehen – pro Jahr. Pikant: Mit diesem Betrag rechneten die unterlegenen Konkurrenten von PubliBike, als die Stadt Zürich das Angebot 2015 ausschrieb.

«Verträge werden erfüllt»

Auf Anfrage will die nach wie vor für die Kommunikation zuständige Post diese Zahlen nicht bestätigen. Nur so viel: «Die bestehenden Verträge werden übernommen und bis zum Vertragsende unter den gleichen Konditionen und Bedingungen weitergeführt. Die Kosten richten sich nach Anzahl der eingesetzten Stationen. Steigt die Anzahl Stationen, so erhöhen sich die Kosten», so Mediensprecher Stefan Dauner. Gegenüber dieser Zeitung beantwortet er auch die folgenden Fragen:

In der Medienmitteilung ist die Rede von grossen Investitionen? Handelt es sich um die Anschaffung neuer Velos oder ­worum gehts?

PubliBike hat im November 2017 ein ­komplett neues Ausleihsystem mit einer komplett neuen Flotte mit über 50 Prozent ­E-Bikes eingeführt. Die bestehende ­E-Bike-Flotte wird 2022 mit einem GPS-Modul ausgerüstet. Die Lebensdauer der ­Velos beträgt zwar etwa zehn Jahre. Es gibt aber laufend technische Upgrades bei Komponenten wie Batterie, E-Motor und Bereifung.

Die Post kommuniziert die eindrückliche Zahl von schweizweit 2,5 Millionen ­Fahrten im Jahr 2021. Heruntergerechnet ist das aber bloss etwas über eine Fahrt pro Velo und Tag.

Die meisten unserer Bikes werden 2,5-mal täglich benützt. Der rechnerische Jahresschnitt von 1,3 sagt nicht so viel aus, denn mehr als drei Viertel der Fahrten sind mit E-Bikes, diese sind demnach häufiger unterwegs. Und: Während der Hochsaison von März bis Oktober verzeichnen wir die meisten Fahrten, die Bikes sind dann gut ausgelastet.

980 000 Ausleihen 2021

Soweit die Postantworten. Die Velomieten sind also tatsächlich so tief, wie die Post bestätigt. Die Verleihzahlen im Raum Zürich sind 2020 (990 000) und 2021 (980 000) etwa gleich geblieben, nachdem sie 2019 etwa 15 Prozent tiefer (835 000) lagen. Dabei hat sich Corona nicht so negativ wie befürchtet ausgewirkt. Die Anzahl Fahrten sind zu Beginn im Frühling 2020 während des Lockdowns deutlich gesunken, da die Menschen zu Hause blieben. «Ab Sommer 2020 zogen die Zahlen wieder an. Es gab einen Shift bei der Art der Nutzung: Vor der Pandemie gab es mehr Fahrten im ­Zusammenhang mit der Arbeit als mit der Freizeit. Mittlerweile halten sich diese Bereiche die Waage», analysiert Mediensprecher Stefan Dauner.

Wie geht es nun weiter? Der Vertrag mit der Stadt Zürich läuft noch bis 2023. Dann muss neu verhandelt werden. Vielleicht verschwindet dann das Angebot, vielleicht beteiligt sich die öffentliche Hand, also der Steuerzahler. Alternativ kann man am HB schon heute kostenlos Velos von «Züri rollt» ausleihen, vom Mai bis Oktober zusätzlich bei der Pestalozziwiese und beim Bahnhof Enge. Jenes ­Verleihsystem wird von Flüchtlingen betreut. Der Stadtrat wollte es bei der Einführung von PubliBike ­abschaffen, der Gemeinderat legte sein Veto ein.