Wenn sich Jugendliche für Theater begeistern

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Am 1. April ist es wieder so weit. Die AG Theater Rämibühl führt die Premiere ihres neuen Stücks «Schwärmen» auf. Ein Stück voller Leidenschaft, Träume und Sehnsüchte. Von Amateuren kann keine Rede sein.

«Stellt euch vor, ihr seid im Süden. Es ist warm und es riecht nach Meer. Entspannt euch.» Die ersten Anleitungen von Christian Seiler an sein Ensemble sind einfach und klar. Einfach, aber effektiv. Kaum ausgesprochen, strecken sich die Jugendlichen auf der Bühne ausgiebig. Der Raum ist erfüllt von Gähnen und Seufzen. Berührungsängste gibt es bei den jungen Schauspielerinnen und Schauspielern nicht. So wirkt auch ganz natürlich, sich zu umarmen oder beruhigend zu streicheln.

«Man lernt, mit sich selber ins Reine zu kommen, sich im Körper wohlzufühlen», erklärt die Schülerin Meret König. Das ist auch merklich spürbar, denn auf das Entspannen folgt das Ausrasten. Auf Kommando springen und hüpfen die Gymnasiasten wie wild auf der Bühne herum und brüllen sich die Seele aus dem Leib.

Emotionen in Neapel
Bei dem Stück geht es um eine Klassenfahrt nach Italien. Die Figuren durchleben, teilweise auf sich allein gestellt, verschiedene Konflikte. Die Darstellerinnen und Darsteller thematisieren auf der Bühne die Freuden und Probleme von Jugendlichen untereinander, mit den Eltern und dem Leben. Zu viel verraten will Seiler im Vorfeld aber nicht.
Das Stück entspringe, laut Seiler, aus seinem Wunsch, mit dem Komponisten Res Wepfer des Pfannenstil Chammer Sexdeets zusammenzuarbeiten. Der Text stammt von der Jungautorin Katharina Cromme und wurde von Seiler bearbeitet. Da die Jugendlichen selbst im gleichen Alter wie die Figuren im Stück sind, hätten sie auch die Möglichkeit und Kompetenz, ihre Vorschläge einzubringen, erklärt der Regisseur. So sei es schon vorgekommen, dass die Schüler eine Idee abgeschmettert hätten: «So sind wir nicht im richtigen Leben.» Auch jetzt während der Intensivphase der Proben lässt Seiler Freiraum für Vorschläge. «Wenn jemand eine Idee hat, einfach mal machen. Ich sage dann schon, wenn es nicht gut ist», ermutigt er die Anwesenden.

Seit rund 45 Jahren gibt es die AG Theater Rämibühl nun schon und seit 21 Jahren unter der Leitung von Regisseur, Schauspieler und Theaterdozent Christian Seiler. Die Bezeichnung «Schultheater» sei von vielen Vorurteilen geprägt und treffe so nicht auf ihre Arbeit zu, betont Seiler. Auch für die Jugendlichen ist der Kurs viel mehr als nur «Schultheater».
Die Begeisterung fürs Theater ist riesig. Es gehe um Kontrollverlust, einfach mal alle Ängste loslassen, beschreibt König mit funkelnden Augen. Ihre Kolleginnen und Kollegen stimmen ihr zu. «Ich stehe unglaublich gern auf der Bühne, die Nervosität, die Reaktionen aus dem Publikum – ich würde schon sagen, dass es eine Art Sucht ist», beschreibt Mitschüler Jonathan Clivio mit einem Schmunzeln. Energien loslassen ist das grosse Stichwort. Das Theater stelle einen Gegenpol zur Schule dar, erklären die Schüler. Gekonnt leitet Seiler diese Energien. «Richtet euch alle gegen den Herrn Bernhard und fangt ihn mit einem Lasso», leitet er an. Die Intensität, wenn sich die geballte Power von 22 jungen Menschen gegen einen richten, ist beeindruckend, schon fast beängstigend.

Während der eigentlichen Probe unterbricht Seiler immer wieder mitten in der Szene, um Hinweise zu geben oder Verbesserungsvorschläge zu machen. Gefühlt unzählige Male heisst es: «Das geht nicht, bitte nochmals von vorn.» Zu stören scheint das aber niemanden. Alle sind vom Anfang bis zum Ende der fast dreistündigen Probe voll dabei. Besonders in der Intensivphase vor der Premiere benötige es viel Einsatz. Wie die Gymnasiastin Theresa Manz erzählt, werde in dieser Zeit jeden Abend geprobt. Daneben laufen die Schule und andere Verpflichtungen natürlich weiter. «Das kann schon für Stress sorgen, gewisse Interessen müssen dann halt zurücktreten», erklärt sie. Dass sich der Aufwand lohnt, bezweifelt aber keiner. Man erschaffe etwas, erläutert die Schauspielerin enthusiastisch.

Theater als Lebensschule

Für manche stellt die AG Theater den Beginn einer Theaterkarriere dar. Es gebe immer wieder Teilnehmer, die sich an der Schauspielschule bewerben, bestätigt Seiler. Er halte sich aber zurück, die Jugendlichen sollen ihren eigenen Weg gehen.
Auch unter den Jungen sind die Meinungen geteilt. Während sich einige eine Schauspielkarriere vorstellen können, sehen andere für sich im Profitheater keine Zukunft. «Es bleibt aber sicher in meinem Leben», erklärt Clivio. Ein Leben ohne Theater sei schwer vorstellbar. Es sei aber auch klar, dass sich die AG Theater bei aller Professionalität vom Profitheater unterscheide. Die Dankbarkeit an Seiler und das Freifach Theater sind aber gross. «Es ist eine super Grundausbildung. Ich meine, wo sonst bekommt man so etwas gratis?», schwärmt König.

Obligatorischen Theaterunterricht, ähnlich dem Musikunterricht, fänden sie aber alle sinnvoll, sagt die Gruppe geschlossen. Besonders die Grundlagen wie Atem- und Stimmübungen seien extrem hilfreich. «Es ist wichtig, dass die analoge Kunst des Theaters in der digitalen Welt wahrgenommen und gepflegt wird», ergänzt Seiler unter zustimmendem Nicken seiner Schützlinge. Es sei schade, wie selten die Menschen, vor allem Junge, ins Theater gingen, sagt Theresa. «Es gibt so viele Angebote in Zürich. Das ist auch echt nicht so teuer», ergänzt sie. (bb. / Foto: bb.)

«Schwärmen» ein Stück der AG Theater von Katharina Cromme und Christian Seiler. Mit Musik von Res Wepfer. Aufführungen: 5. April, 7. April, 8. April, 11. April, 12. April. Jeweils 19.30 Uhr, Aula LG Rämibühl, Rämistr. 56, 8001 ZH.