Am 28. April 1929 weihten die Grasshoppers mit einem Freundschaftsspiel das Hardturmstadion ein. Fünf Jahre später brannte die Tribüne ein erstes Mal ab. 2007 wurde das Stadion abgerissen, 2018 ein neues bewilligt. Rollt 100 Jahre nach dem ersten Anpfiff wieder der Ball?
So wie der Weltfussballverband seit 1932 zur Sportstadt Zürich gehört, waren der Kreis 5 und das Hardquartier (Letzigrund) fast 100 Jahre lang das Standortquartier für den Fussballsport. Das Fundament dazu legten die im Industriequartier beheimateten Vereine der Grasshoppers, des FC Young Fellows sowie der Quartierclub FC Industrie. Während der aktuellen Diskussionen um das Gelände des ehemaligen Hardturmstadions geht völlig vergessen, dass während fünf Jahrzehnten zwei grosse Fussballstadien im heutigen Zürich-West beheimatet waren.
Erst Förrlibuck, dann Hardturm
Bereits am 11. Mai 1924 wird an der Förrlibuckstrasse im Industriequartier der neue Sportplatz Förrlibuck, den sich der FC Young Fellows errichtet hat, feierlich eröffnet. Im Jahre 1936 wird vor 10 000 Zuschauern der FC Young Fellows auf dem Förrlibuck gegen Servette Schweizer Cupsieger. Ende der Sechzigerjahre wird der Sportplatz Förrlibuck wegen grosser Bahn- und Strassenbauten aufgehoben. Im Jahre 1976 wird auf diesem Gelände an der Duttweiler-/
Förrlibuckstrasse die Toni-Molkerei erbaut. Heute befindet sich auf diesem Areal die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Nur 300 Meter vom damaligen Förrlibuck-Stadion entfernt wird die neue Sportanlage Hardturm des Grasshopper Club Zürich erbaut. Zwei Jahre beträgt die Bauzeit. Die beiden Kurvenstücke und die der Stadt zugekehrten Längsgeraden des Stadions sind mit einer Erdrampe für 25 000 Zuschauer ausgeführt worden. Das Auffüllmaterial musste von zahlreichen Baustellen der ganzen Stadt Zürich herbeigeschafft werden. So wurde zum Beispiel der ganze Aushub für das neue Tramhäuschen am Paradeplatz für diese Aufschüttung verwendet. Kurz vor dem Eröffnungsspiel schrieb die NZZ in ihrer Mittagsausgabe vom 22. April 1929, dass Zürich mit dem Sportplatz Hardturm um eine Sehenswürdigkeit reicher wird, die ihresgleichen die Schweiz bisher nicht kannte.
15 000 Fans am Eröffnungsspiel
Am 28. April 1929 wird das Hardturmstadion mit einem Freundschaftsspiel der Grasshoppers gegen die bekannte italienische Squadra der Unione Sportiva Alessandria eingeweiht. Das Spiel endet 3:1 (2:0) für Alessandria. Ausschlaggebend für den Sieg waren die Schnelligkeit und die klassische Ballbehandlung sowie das überlegene Kopfballspiel der Italiener. Die NZZ vom 29. April 1929 schildert dieses Ereignis wie folgt: «Es mögen 15 000 Personen gewesen sein, die am Sonntag den Grasshopper Club Zürich bei der Einweihung seines neuen Spielplatzes Hardturm zu Gevatter standen; ein Autopark von vielen Hunderten von Wagen rechts und links der Zufahrtsstrassen und die in dichten Kolonnen anrückenden Zuschauermengen zeigten, dass es sich um einen Grosstag im Zürcher Sportskalender handelte, der weit über den Rahmen des veranstaltenden Klubs hinausging. – Als Festmusik war unsere Knabenmusik geladen worden; sie machte ihre Sache ausgezeichnet, am besten aber funktionierte der grosse Regisseur und Schutzpatron im Freien abzuhaltenden Veranstaltungen, der mit allen Requisiten schönstens Wetters aufwartete und das prächtige Alpenpanorama fleissig in Szene setzte.»
Tribünenbrände 1934 und 1968
Fünf Jahre nach der Einweihung fällt die Hardturmtribüne einem Brand zum Opfer. 34 Jahre später wurde die Haupttribüne in der Nacht vom 13. auf den 14. Juni 1968 praktisch nochmals vollständig vernichtet. Das erste Länderspiel auf dem Hardturm, das 95. zugleich für die Schweiz, wird am 4. Mai 1930 mit 0:5 gegen Deutschland verloren. Für das Spiel wurden zwischen 26 000 und 27 000 Billette verkauft, weitere 15 000 Interessenten hat man abweisen müssen.
FCZ im Hardturm Schweizer Meister
Nachdem die Stimmbevölkerung am 1. Februar 1953 im Hinblick auf die WM 1954 den Bau eines weiteren Grossstadions verworfen hat, kann das Hardturmstadion auf 35 000 Plätze (davon 5613 Sitzplätze) ausgebaut werden. Insgesamt werden im Hardturm fünf WM-Spiele ausgetragen, und im Spiel um den dritten Platz gewinnt Österreich gegen Uruguay 3:1. Das erste Schweizer-Nati-Flutlicht-Länderspiel endet 1956 gegen Brasilien unentschieden 1:1. Am 3. Juni 2006 gewinnt die Schweiz das 48. und gleichzeitig letzte Länderspiel im Hardturm mit 4:1 gegen China.
Wegen des Neubaus des Letzigrundstadions spielt der FC Zürich zwei Fussballsaisons im Zwangsexil Hardturm. Am 24. Mai 2007 verteidigt der FCZ mit einem 2:0 gegen die Grasshoppers den Meistertitel. Im gleichen Jahr dann, am 1. September 2007, erfolgt die Finissage im Hardturm. Nach dem Meisterschaftsspiel GC – Xamax Neuenburg (1:2) wird das Stadion abgebrochen. Die Fans erhalten Rasenziegel, Stadionsitze, Fussballtore. Die Grasshoppers gewannen im Hardturmstadion 20 von bislang 27 Schweizer-Meister-Titeln.
Am 25. November 2018 sprach sich die Zürcher Stimmbevölkerung mit 53,8 Prozent für das Projekt «Ensemble» aus und damit für den Bau eines Fussballstadions für 18 000 Fans sowie 174 Genossenschaftswohnungen und 600 Wohnungen in zwei Hochhäusern der Credit Suisse. Sowohl der Gestaltungsplan wie auch die Baubewilligung können jedoch mit Rekursen angefochten werden. Sollten sich die Stadionbauer mit der Zeit in den Gerichtsverfahren durchsetzen, könnte nach einer Bauzeit von zwei bis drei Jahren der erste Anpfiff im neuen Stadion 2029 erfolgen: 100 Jahre nach dem allerersten Anpfiff im Hardturm. (Robert Schönbächler, Text und Foto)