Videoüberwachung: Bereit für Gesichtserkennung

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Die Videoüberwachung in der Stadt Zürich wird flächendeckend, zumindest rund um Gebäude und Anlagen des öffentlichen Diensts. Das Beispiel des Sportamts zeigt, dass die Funktion der Gesichtserkennung geplant ist. Die Lokalinfo hat darüber auch mit zwei Fachleuten gesprochen. Ihr Fazit: Technisch ist sie kein Problem.

Die automatische Gesichtserkennung ist ein heisses Eisen, niemand will sich daran die Hände verbrennen oder seine Reputation gefährden. Coop und Migros wie auch Grossbanken stellen derzeit in Abrede, derartige Tests, geschweige denn flächendeckende Einführungen zu planen, wie es kürzlich in einem Bericht von «10 vor 10» hiess. Quasi durch den Hintereingang startete das Sportamt der Stadt Zürich über Weihnachten einen Versuchsballon. In deren neuem, im «Tagblatt der Stadt Zürich» ausgeschriebenem Videoreglement war in einem Nebensatz die Rede davon, die Funktion der «Gesichtserkennung» einzuführen. Doch weil das Sportamt schon bisher und illegalerweise Videoaufnahmen in gewissen Sportanlagen machte, war der Schaden angerichtet. Momentan sind wegen eines Rekurses alle Videoanlagen in Zürichs Sport- und Badeanlagen ausgeschaltet. Vorgesehen ist dereinst die Videoüberwachung in elf Sport- und Badeanlagen. Gemäss Recherchen der Lokalinfo betreibt die Stadt Zürich nicht dutzende, sondern tausende Videokameras mit fast flächendeckender Ausbreitung (siehe Karte). Das Potenzial ist also riesig, und der Bedarf an automatischer Auswertung scheint gross. Mögliche Einsatzgebiete: Fangewalt zwischen militanten Anhängern von FCZ und GC oder der Ruf nach mehr Kontrolle bei der Hausbesetzerszene sowie bei unbewilligten Demos.

Gesichtserkennung in China Alltag
Doch worum gehts eigentlich bei den Videoüberwachungen mit automatischer Gesichtserkennung? Blenden wir nach China hinüber: Wer in chinesischen Millionenstädten bei Rot über die Strasse hetzt, bekommt kurz darauf einen Strafzettel heimgeschickt. Wegen der flächendeckenden Videoüberwachung und der automatischen Gesichtserkennung mit den gespeicherten Passfotos der ganzen Bevölkerung ist das in China neuerdings problemlos möglich. SRF dokumentierte den Stand der Technik kürzlich eindrücklich. Wie weit dadurch politisch missliebige Chinesen einfacher überwacht und weggesperrt werden können, thematisierte der Bericht nicht. Wo steht Zürich mit dieser Praxis? Technisch ist die automatische Gesichtserkennung auch bei uns ohne Wenn und Aber möglich, wie zwei Vertreter der Cubera Solutions AG aus Feldmeilen gegenüber der Lokalinfo erklären (siehe Kasten). Kein Wunder, tun sich gewisse Dienstabteilungen der Stadt Zürich schwer mit einer Antwort. So heisst es vom Schul- und Sportdepartement, dass die vom Sportamt eingesetzten Kameras insofern «über eine Gesichtserkennungsfunktion verfügen, als deren Einstellung zu Aufnahmen führen soll, auf der Gesichter mit ihren individuellen Merkmalen zu erkennen sind». Das Sicherheitsdepartement und mit ihm die Stadtpolizei konnten innert vier Arbeitstagen nicht beziffern, wie viele Videokameras genau in Betrieb sind. Pikant: Erst letzten Sommer wurde von der Stapo ein neues Videoreglement mit diversen zusätzlichen Kamerastandorten in Kraft gesetzt. Das Positivbeispiel ist die Immobilienabteilung der Stadt Zürich. Dort sind mit relativ wenigen Mausklicks alle Videostandorte, beispielsweise bei den Schulen, abrufbar. Ganz freiwillig ist diese Transparenz aber nicht, denn die Videoüberwachung bei fast jeder Stadtzürcher Schule und auf fast jedem Pausenplatz sorgte für öffentliche Diskussionen. Immerhin: Auch deshalb erfolgen Aufzeichnungen nur ausserhalb der Schulzeiten.

Druck wegen neuer Verordnung
Marcel Studer, der Datenschutzbeauftragte der Stadt Zürich, sagt auf Anfrage, ein zentrales Register über die Videoüberwachung werde gesetzlich nicht vorgeschrieben. Doch die seit dem 1.1.2018 in revidierter Fassung gültige Publikationsverordnung der Stadt Zürich verlange, dass die meisten Reglemente öffentlich abrufbar seien. Studer: «Die Dienstabteilungen, die Videoreglemente erlassen haben, sind zurzeit am Prüfen, ob ihre Reglemente die Voraussetzung für eine Aufnahme in die amtliche Sammlung erfüllen.» Im Rückstand ist der Stadtrat zudem bei der Beantwortung eines über zwei Jahre alten Vorstosses aus dem Gemeinderat. Darin verlangen Marcel Bührig (Grüne) und Sven Sobernheim (GLP) in einem mit 118 zu 0 Stimmen verabschiedeten Postulat, dass die Standorte der von der öffentlichen Hand betriebenen Überwachungskameras öffentlich zugänglich gemacht werden, vorzugsweise über die «Open Data»-Plattform der Stadt Zürich. Der ohne Gegenstimme verabschiedete Vorstoss zeigt, dass das Unbehagen gegenüber der fast flächendeckenden Videoüberwachung quer durch alle politischen Gesinnungen vorhanden ist.

Verschärfung durch SVP
Ein Beispiel: Gemeinderat Daniel Regli (SVP) forderte erfolgreich eine Textänderung, die die Kennzeichnung der Standorte nach Datenschutzverordnung verlangte. Etwas, was zum Beispiel das Sportamt im Hallenbad City bis zur Öffentlichmachung durch die Lokalinfo nicht schaffte.
Auch die erst kürzlich erfolgte Installation von Überwachungskameras beim Central und beim Stauffacher durch die VBZ ist äusserst diskret gekennzeichnet. Es herrscht definitiv noch Nachholbedarf. (pw./ls.)

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Interview: «Automatische Gesichtserkennung ist Stand der Technik»

Die Cubera Solutions AG mit ihren 15 Mitarbeitern in Feldmeilen ist eine der schweizweit führenden Firmen für digitale Lösungen speziell im Bereich Gesichtserkennung. Die Lokalinfo hat bei Dominik Brumm und Marco Regniet nachgefragt.

In China ist die automatische Gesichtserkennung quasi Normalität. Wie weit sind wir in der Schweiz?
Technisch ist die automatische Gesichtserkennung auch in der Schweiz absolut möglich. Momentan bieten Google und Facebook die algorithmische Gesichtserkennung in ihren Programmen an, auch das iPhone X hat diese Funktion. Die Algorithmen, also die einzelnen Handlungsvorgaben, sind da.
Das Sportamt der Stadt Zürich plant laut ihrem Videoreglement die Funktion der «Gesichtserkennung». Was bedeutet das aus Ihrer Sicht?
Eigentlich genau was es heisst: die mögliche Gesichtserkennung mit Datenabgleich.
Dann ist das technisch kein Problem?
Nein, es ist nur eine Frage der Rechnerleistung. Sprich, die Aufzeichnung und vor allem die Abgleichung mit den Fotodaten benötigt riesige Rechenleistungen. Die jeweiligen Fotos von Menschengesichtern müssen in möglichst schneller Zeit abgeglichen werden. Das kann aber auch über eine Cloud, also über Server, die irgendwo auf der Welt stehen, geschehen.
Welche Hürden gibt es dabei?
Daten aus Branchen wie dem Banken- und Versicherungsbereich dürfen oft aus rechtlichen Gründen nicht ausserhalb der Schweiz verarbeitet werden. Dies setzt riesige Rechneranlagen in der Schweiz voraus. Zudem sind die gesellschaftlichen Hürden (noch) gross.
Warum?
Die Verletzung des Datenschutzes birgt ein gewisses Risiko. Da sind private Firmen vorsichtig wegen der eigenen Reputation.
Welche Firmen interessieren sich für Ihr Angebot?
Viele Firmen sind am Überlegen, die automatische Gesichtserkennung einzuführen, aber niemand will darüber reden. Das Interesse ist gross, aber fast alle warten noch ab.
Dann kommt das städtische Sportamt gerade recht ...
Ja, denn der Datenschutz wird zusammenfallen. Wenn etwas auffliegt, ist die Empörung zwar am Anfang gross, doch das legt sich schnell, und irgendwann wird die Gesichtserkennung zur Normalität.
Wie lange dauert es denn, bis Gesichtserkennung zur Normalität wird?
Die technische und gesellschaftliche Entwicklung verläuft immer schneller – keine fünf Jahre mehr.

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Wo betreibt die Stadt Zürich Videokameras?

Die Qualität der online verfügbaren Datren ist innerhalb der Stadtverwaltung höchst unterschiedlich. Top ist die Auflistung der Immo Zürich, wo sämtliche Kameras aufgelistet sind:

https://www.stadt-zuerich.ch/hbd/de/index/immobilien-bewirtschaftung/_zuerich_baut_gutundguenstig/standarduebersicht.html

#sicherheit

Einigermassen offen kommunizieren auch die VBZ:

https://www.stadt-zuerich.ch/vbz/de/index/die_vbz/faq_s/Technik.html

#wie_geht_die_vbzmitvideoueberwachungum

Die Daten der anderen Dienstabteilungen sind online nicht oder nur sehr kompliziert verfügbar. Die Lokalinfo wir in ihren Ausgaben vom 12.4.2018 eine Aufstellung publizieren.