Nach den Wahlen in Zürich sind Wundenlecken angesagt, Strippenziehen hinter den Stadtratskulissen sowie Gespräche zwischen Der Mitte und der EVP mit dem Ziel, eine eigene Fraktion im Gemeinderat zu bilden.
Es war ein Gewusel, wie es typisch ist für die alle vier Jahre stattfindenden Gesamterneuerungswahlen für den Stadt- und den Gemeinderat in Zürich. Zwar mussten alle Anwesenden eine Corona-Impfung vorweisen, die nicht älter als vier Monate her ist, doch trotzdem waren am Abstimmungssonntag gegen 100 Leute in der grossen Halle des Stadthauses. Der erste ausgezählte Wahlkreis 12 um etwa 15.45 Uhr versprach Hochspannung. Denn hier lag Walter Angst (AL) auf dem neunten und damit rettenden Rang für den Stadtrat, hinter ihm der Bisherige Michael Baumer (FDP). Nun folgte ein Bangen und Hoffen, bis das Schlussresultat gegen 19 Uhr feststand. Dann war klar.
Die AL in der Regierung – das ist bald Geschichte. Offen ist, ob die neue Stadträtin Simone Brander (SP) das frei werdende Departement «Tiefbau und Entsorgung» übernehmen wird. Es wäre ihr Lieblingsdepartement. Möglich wäre aber, dass nach dem Anciennitätsprinzip verteilt wird. Sprich: Wer schon länger dabei ist im Stadtrat, darf sein Wunschdepartement wählen. Doch wollen Daniel Leupi oder Karin Rykart (beide Grüne) wechseln? Und lässt das die SP mit ihren vier Stadtratssitzen überhaupt zu? Bis am 4. Mai wird alles geregelt sein. Bis dann wird sich der Stadtrat entschieden haben, und dann findet im Gemeinderat die konstituierende Sitzung für die Legislatur 2022 bis 2026 statt.
Sie führen Verhandlungen
Was heute schon klar ist: Grosse Gewinner im Gemeinderat sind kleine Parteien. Die Mitte hat nach vier Jahren Parlamentsabstinenz bemerkenswerte sechs Sitze errungen. Wahllokomotive war wohl Stadtratskandidat Josef Widler, der immerhin Gemeinderat wurde. Auf Anfrage bestätigt Die-Mitte-Parteipräsidentin Karin Weyermann, dass man nun Verhandlungen führe mit der EVP. Ziel: eine gemeinsame Fraktion. Zwar hat Die Mitte allein schon Fraktionsstärke, doch zusammen mit der EVP käme man auf neun Personen. EVP-Parteipräsident Ernst Danner, der auf ein Zusammenspannen hofft: «Damit wären beide Parteien in allen wichtigen Kommissionen vertreten, so in der Geschäftsprüfungs- und in der Rechnungsprüfungskommission.» Auch nicht unwesentlich: Die EVP würde dank der Gemeinschaft mit Der Mitte einen Teil des jährlichen Grundbetrags für Fraktionen von 12 600 Franken bekommen. Die EVP und Die Mitte werden künftig eine wichtige Rolle spielen im 125-köpfigen Parlament, weil links-grün lediglich eine Mehrheit von einer Stimme hat.