Während Gleichaltrige noch nach dem Sinn des Lebens suchen, hat die 29-jährige Tina Aeberli schon viel erreicht. Sie ist dreifache Mutter, Assistenzärztin und siebenfache Weltmeisterin im Ballsport Footbag.
Sie hat gerade einen langen Spätdienst hinter sich und ist erst um sechs Uhr morgens nach Hause gekommen. Die Müdigkeit ist Tina Aeberli anzusehen, trotzdem wirkt sie zufrieden. Während viele Gleichaltrige nach dem Sinn des Lebens suchen und bereits überlegen, ob Vollzeitarbeit wirklich das Richtige für sie ist, hat die 29-jährige Tina Aeberli mit ihrem Partner bereits drei Kinder bekommen, arbeitet als Assistenzärztin in der Abteilung Kinder- und
Jugendmedizin am Kantonsspital Winterthur und darf sich siebenfache Weltmeisterin im Ballsport Footbag nennen.
Wie kann man das alles unter einen Hut bringen? Das ist die Frage, die den meisten bei der Biografie der Zürcherin einfällt, die in Wollishofen aufgewachsen ist und heute mit ihrem Partner und den drei Kindern in Unterstrass wohnt. «Bis jetzt ist es mir immer recht gut gelungen, all das zu kombinieren», erzählt Aeberli. Sie habe zwar schon sehr unter Druck gestanden, doch während des Medizinstudiums an der Universität Zürich hätten ihre Mitstudentinnen ausgeholfen und auch schon mal auf ihr erstes Kind aufgepasst. «Meine zwei jüngeren Kinder gehen in die Krippe und die Älteste in den Hort», sagt die dreifache Mutter. «Sie dürfen einfach nicht krank werden», ergänzt Aeberli lächelnd.
2005 ersten Titel gewonnen
Im Studium sei sie noch deutlich flexibler gewesen als jetzt in der Arbeitswelt. Sie habe in die Krippe gehen und stillen können und dann nach Hause, um zu lernen. Für die ersten zwei Jahre nach der Uni begann die Zürcherin deshalb, Teilzeit zu arbeiten. Doch das hatte einen Nachteil: Je nach Facharztrichtung dauert die Ausbildung fünf bis sechs Jahre – mit einem 100-Prozent-Pensum. Teilzeit wäre der Weg zum Facharzttitel also schier endlos. «Seit November arbeite ich deshalb 100 Prozent, was natürlich deutlich anstrengender ist», sagt Aeberli. Sie arbeite jetzt zwar an einem Ort, an dem man sich das Leben mit Kind bewusst sei, aber die Medizin sei kein familienfreundliches Umfeld. «Meine Kollegen sind verständnisvoll, aber der Spitalalltag nicht», ergänzt Aeberli.
Mit 14 Jahren begann die siebenfache Weltmeisterin Footbag zu spielen. 2005 gewann Aeberli die Schweizer- und Europameisterschaft. 2006 holte sie sich den ersten Weltmeistertitel. Neben Arbeit und Familienleben kam Footbag in den letzten zwei Jahren aber etwas zu kurz. Sie nahm nicht mehr an den jährlichen Weltmeisterschaften teil. Der Grund: Im Sommer 2017 kam das dritte Kind zur Welt, die Zeit zum Trainieren war dadurch eingeschränkt. Aufgegeben hat sie den Sport jedoch nie. «Footbag ist sehr geeignet, weil man es einfach zu Hause machen kann», findet Aeberli. Man brauche keinen eigenen Trainingsplatz. Meist geht sie mit ihren Kindern nach draussen zum Spielen und Aeberli trainiert gleichzeitig ein bisschen. «Zehn Minuten Footbag spielen sind so gut wie eine halbe Stunde joggen», ist die 29-Jährige überzeugt. Noch heute gibt Aeberli für den Zürcher Footbag Club Solerebels wöchentlich Kurse im Schulhaus Rösli. «Wir treffen uns jeweils montags, jeder Interessierte darf gerne kommen», sagt Aeberli. Auch ihr Bruder spielt Footbag, weshalb viele Wollishofer bei Solerebels trainieren.
Balance finden ist wichtig
Das nächste Ziel der angehenden Kinderärztin sind im Sommer die Weltmeisterschaften in Warschau. Sie gehe nicht mit dem Anspruch, den Titel zu gewinnen, «ich möchte aber vorne mitspielen können». Nur wenige würden den Nischensport auf professionellem Niveau betreiben, aus der Schweiz seien es nicht mehr als 50 Spielerinnen und Spieler. Früher war die «Footbag-Königin» eine der wenigen, die mit ihren Auftritten Geld verdienen konnte. Die Spielerinnen und Spieler kennen sich gegenseitig, es ist eine Gemeinschaft. «Die Konkurrenz ist nicht so gross, aber das Niveau hoch.» Grosse Szenen gebe es in Ländern wie Polen, Tschechien und Finnland, aber auch Nordamerika, wo der Sport herkomme.
Wichtig sei ihr, die Balance zu finden zwischen Job, glücklichen, zufriedenen Kindern und Footbag. «Ich würde das meiste in meinem Leben nochmals genau so machen», ist sich Aeberli sicher. Es sei eine gute Wahl gewesen. Sie habe zwar auf viele Sachen verzichtet, aber: «Mein Rezept war, Schritt für Schritt zu machen, nicht zu weit in die Zukunft zu schauen und alle Ziele erreichen zu wollen.» www.solerebels.ch / www.footbag.org (pw.)
Was ist Footbag?
Footbag wird mit einem kleinen, mit Granulat gefüllten Ball gespielt. Die Spielerinnen und Spieler jonglieren den Ball mit ihren Füssen. Der Ball wird im Volksmund oft als Hacky-Sack bezeichnet, was der Markenname einer amerikanischen Firma ist. Footbag kann unter anderem übers Netz auf einem Spielfeld oder Freestyle gespielt werden. Bei Letzterem geht es darum, möglichst viele Kunststücke zu zeigen. Tina Aeberli spielt Freestyle Footbag. Ursprünglich wurde der Sport als Zeitvertreib in den USA erfunden. Seit 1984 gibt es die jährlichen IFPA Footbag World Championships. (pw.)