Seit Mitte 2019 bieten vier der fünf Sozialzentren der Stadt Zürich keinen Schreibdienst mehr an. Das Angebot wurde ausgebaut und wird nur noch im Sozialzentrum Helvetiaplatz angeboten. Das bekommen andere Einrichtungen wie der Verein «glattwägs» zu spüren.
«In letzter Zeit haben wir viel mehr Anfragen für Unterstützung bei amtlicher Korrespondenz», sagt Dominik Bolli vom Verein «glattwägs» in Schwamendingen. «Doch wir sind ein kleines, vierköpfiges Team und haben nicht die Kapazität, Schreibdienstarbeiten in grosser Anzahl zu übernehmen.» Grund für die Zunahme der Anfragen ist nicht nur der Umzug des Vereins von der Werkerei an die Dübendorfstrasse, wo die Räumlichkeiten gut sichtbar sind und auch viel Laufkundschaft bringen, sondern auch die Tatsache, dass die Stadt Zürich ihre Schreibdienste von vier Sozialzentren ins Sozialzentrum Helvetiaplatz verlegt und dort zentralisiert hat.
«Für viele Bewohnerinnen und Bewohner der Aussenquartiere ist der Weg zu weit und wegen der Pandemie auch zu unsicher», vermutet Dominik Bisang von «glattwägs». «Der Schreibdienst ist ein wichtiges niederschwelliges Angebot. Aber wir müssen uns auf unser Kerngeschäft konzentrieren.» Und dieses besteht daraus, Jugendliche bei der Lehrstellensuche zu unterstützen und kurz- oder auch langfristige Arbeitseinsätze von Firmen und Institutionen an junge Leute zu vermitteln. «So können wir nicht immer helfen, wenn Leute mit amtlichen Dokumenten wie Scheidungsunterlagen oder Aufnahmegesuchen zu uns kommen. Für Jugendliche und junge Erwachsene aus der Stadt Zürich stehen wir bei Bewerbungen und mit Gelegenheitsjobs jedoch immer unterstützend zur Seite.»
Angebot wurde ausgebaut
Dass der Schreibdienst ein wichtiges und oft genutztes Angebot ist, bestätigt auch Jacqueline Fäs, Mitarbeiterin Kommunikation der Sozialen Dienste der Stadt Zürich. «Die Nachfrage ist in den fünf Sozialzentren über die Jahre kontinuierlich gestiegen», sagt sie. «Aufgrund unterschiedlicher Ressourcen, Infrastruktur und Voraussetzungen in den einzelnen Sozialzentren brauchte es eine neue Lösung, um der höheren Nachfrage gerecht zu werden.» So wurden am neuen Standort die Öffnungszeiten des Schreibbüros ausgedehnt und bieten während rund
18 Stunden pro Woche administrative Unterstützung. Dafür wurden viele neue Freiwillige rekrutiert. «Durch die Zentralisierung konnte der Schreibdienst ausserdem noch weiter professionalisiert werden. So haben wir das Angebot des Schreibdienstes am neuen Standort ausgebaut: Zusätzlich zu den Leistungen des Schreibbüros bieten wir neu Beratungen auf Termin und Bildungsveranstaltungen an.» Im ersten Betriebsjahr des Zentralen Schreibdiensts hätten 13 Bildungsveranstaltungen stattgefunden zu Themen wie Wohnungssuche mit «Mein Konto» der Stadt Zürich oder das Beantragen von Stipendien online. «Geplant sind weitere Veranstaltungen zur Wohnungssuche im allgemeinen Wohnungsmarkt und zur Online-Stellensuche. Ausserdem stehen der Kundschaft auch Computer zur selbstständigen Nutzung zur Verfügung.»
Doppelt so viele Nachfragen
Der Zentrale Schreibdienst habe nun eine deutlich grössere Kapazität wie die Schreibdienste in den Sozialzentren, so Jacqueline Fäs. «Das Angebot wurde direkt nach der Inbetriebnahme am 1. Juli 2019 stark genutzt. Die Zahl der Kundinnen und Kunden hat sich mit der Inbetriebnahme des Zentralen Schreibdiensts fast verdoppelt und ist seither konstant hoch geblieben.» Somit sei eine Wiederaufnahme der Schreibdienste in den Sozialzentren nicht vorgesehen. Ausser dem Sozialzentrum Helvetiaplatz bieten auch die Gemeinschaftszentren Affoltern, Loogarten und Hirzenbach Hilfe beim Verfassen von Briefen und Bewerbungen, bei der Korrespondenz mit Ämtern und beim Ausfüllen von Formularen an. «Wir stehen in regelmässigem Kontakt mit ihnen und tauschen uns aus», sagt Jacqueline Fäs.
Schreibdienst für jedes Quartier
Dennoch sind die Mitarbeitenden von «glattwägs» der Ansicht, dass jedes Quartier einen eigenen Schreibdienst anbieten müsste – schon aus dem Grund, dass lange Wegstrecken während der Pandemie verhindert werden können. «Wir sind immer bereit zu helfen, aber Schreibdienst-Arbeiten übersteigen unsere Kapazität», so Dominik Bolli. Die Corona-Pandemie sei für die Mitarbeitenden auch eine herausfordernde Zeit. «Die Lehrstellensuche war weniger ein Problem als die Vermittlung von Arbeitsaufträgen. Einige Auftragsgebende haben in dieser Zeit ihre Aufträge zurückgezogen. Das ist schwierig für Arbeitssuchende ohne festen Arbeitsvertrag.»
Der Verein «glattwägs» wurde im Jahr 1987 gegründet als Arbeitsvermittlung für arbeitslose Jugendliche. Er hat einen Leistungsauftrag des Sozialdepartements der Stadt Zürich und hat die soziale und berufliche Integration in die Arbeitswelt zum Ziel. Finanziert wird er neben dem Beitrag der Stadt von Spendengeldern und dem Erlös der Arbeitsaufträge.