Auf der Kunsteisbahn Dolder trainieren die Eisschnellläufer mit atemberaubenden Geschwindigkeiten für internationale Wettkämpfe wie die Olympischen Spiele. Die Zürcher sind bei den Rennen ganz vorne mit dabei.
Das Tempo, das sie erreichen, beträgt schon mal bis zu 55 km/h in einer Kurve mit einem Radius von etwa 25 Metern. Auf dünnen Kufen rasen ungefähr 20 Läufer an den Zuschauern vorbei, manche in kleinen Gruppen, andere alleine, aber alle in gebückter Haltung. Alles ist darauf ausgelegt, möglichst wenig Widerstand zu generieren und somit noch schneller zu fahren.
An der Bande steht Werner Brandl, Kassier der Schnelllauf-Sektion des Eislauf-Clubs Zürich, und beobachtet das Geschehen. Er ist sichtlich stolz auf die schnellen Zürcher. Zwei Topläufer – Ramona Härdi und Livio Wenger – sind jedoch gar nicht dabei, denn sie wurden selektioniert für die Olympischen Spiele 2018, wie Brandl erklärt. «Eisschnelllauf ist hier in der Schweiz eine Randsportart. Unsere Läufer haben an den Spielen aber durchaus Medaillenchancen.» Der Fokus liege jedoch auf dem Breitensport, denn die meisten Mitglieder seien als Hobby- Läufer dabei.
Schwierige Trainingsbedingungen
Die Zürcher Eisschnellläufer trainieren dreimal pro Woche auf dem Eis. Am Mittwoch- und Sonntagabend, sowie am Samstagmorgen ziehen sie auf der Kunsteisbahn Dolder ihre Runden. Damit die Sportler am Samstag um 7.45 Uhr beginnen können, muss die Zusammenarbeit mit den Eismeistern gut funktionieren. Brandl dazu: «Sie investieren sehr viel für uns. Manchmal sind sie um drei Uhr morgens schon hier, damit das Training rechtzeitig beginnen kann. Denn ohne die richtigen Eisverhältnisse können wir nicht trainieren. » Auch wenn das Eis gut befahrbar ist, sind die Trainingsbedingungen nicht optimal. Die Runde auf der Dolder-Kunsteisbahn ist nur rund 240 Meter lang und unter freiem Himmel, während der internationale Standard überdachte 400 Meter beträgt. Bei der Umstellung auf die grösseren Bahnen sind die Läufer vor allem technisch gefordert, denn der Kurvenradius ist grösser. In der Schweiz bestehen ausserdem zurzeit nur Trainingsmöglichkeiten in Basel und Zürich. Gewisse Läufer und Läuferinnen kommen deshalb auch aus anderen Kantonen, wie etwa Noemi Zurbuchen (18), die in Aarau wohnt. «Seit vier Jahren mache ich nun schon Eisschnelllauf», erzählt sie. «Ich mag die Geschwindigkeit auf dem Eis, aber in der Schweiz ist das Training sehr hart wegen der fehlenden Infrastruktur. Wir müssen viel Aufwand betreiben, um richtig trainieren zu können.»
Zum Training gehören nicht nur die Runden auf dem Eis. «Die Topläufer trainieren täglich», meint Brandl. «Wenn sie nicht auf dem Eis stehen, machen sie Kraftübungen, gehen in den Fitnessraum oder fahren Velo.» Im Sommer würden die benötigten Muskelpartien durch gezielte Übungen gestärkt, im Winter sei es wichtig, die Fahrtechnik auf dem Eis zu verbessern. Je sauberer ein Läufer fahre, desto weniger Kraft sei nötig.
Anfänglich hohes Frustpotenzial
Eisschnelllauf ist einiges schwieriger als es auf dem Eis aussieht. Gemäss Brandl ist das Frustpotenzial am Anfang sehr hoch, denn die Kufen sind viel dünner als bei normalen Schlittschuhen und somit ist es anfänglich schwieriger, auf dem Eis zu fahren. Dies hat auch Mischa Chapchidze (18) erlebt: «Meine Mutter musste mich erst zwingen, weiterhin ins Training zu gehen. Jetzt laufe ich aber seit sieben Jahren und mir machen vor allem die Sprints auf den geraden Strecken Spass.»
Bei den hohen Geschwindigkeiten der Eisschnellläufer stellt sich die Frage nach der Sicherheit. Vor allem, da mit den Eisschnelllauf-Schuhen der Bremsweg länger ist als mit normalen Schlittschuhen. Brandl versichert, dass man das Thema sehr ernst nehme: «Vor dem Training werden an den Banden in den Kurven Schutzmatten aufgestellt. Die Läufer tragen ausserdem Helm, Handschuhe und einen Achillessehnenschutz.» Dieser Schutz ist bei Wettkämpfen Vorschrift, denn bei Stürzen könnte man sich die Sehne durchschneiden. Das Verletzungsrisiko sei aber grundsätzlich eher klein und es sinke mit besserer Technik, sagt Brandl: «Technisch versierte Läufer können besser reagieren. Vor einigen Jahren ist direkt vor einem unserer Topläufer eine Schutzmatte umgefallen – wir alle waren geschockt, denn zum Bremsen hätte die Distanz nicht mehr gereicht. Durch seine gute Technik hat er es aber geschafft, die Matte im letzten Moment zu umfahren.»
Aus Holland in die Schweiz
Ursprünglich stammt der Sport aus den Niederlanden, kam aber schon früh in die Schweiz: Der Schweizer Eislauf-Verband (SEV) wurde Anfang 20. Jahrhundert gegründet. Die Zürcher Schnelllauf-Sektion umfasst zurzeit 104 Mitglieder, wovon etwa 30 Prozent Frauen. Der Verein unterstützt zudem «De schnällscht Zürischlifschue », ein jährliches Plauschrennen für Zürcher Schüler. Und auf Voranmeldung über die Website kann man die Sportart jeweils am Sonntagabend ausprobieren. Trotzdem gestalten sich Nachwuchsgewinnung und Sponsorensuche laut Brandl eher schwierig, denn der Eisschnelllauf sei schlicht zu wenig bekannt. Die Läufer auf der Dolder-Kunsteisbahn haben trotzdem grosse Zukunftspläne. Mischa Chapchidze trainiert hart: «Ich möchte es an die Olympischen Spiele schaffen.» Und auch Noemi Zurbuchen träumt von den Spielen. Sie hofft, dass sie in vier Jahren daran teilnehmen kann. (Franziska Jud)