Nietzsches Lyrik wird zum Leben erweckt

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Friedrich Nietzsche würde diesen Herbst 175 Jahre alt. Anlässlich des Jubiläums rezitierten Schauspielerin Laura Huonker und Literaturwissenschaftler Thomas Forrer einige seiner Gedichte in der Küsnachter Buchhandlung Wolf.

Die meisten kennen Friedrich Nietzsche aufgrund seiner Abhandlungen und philosophischen Werke. Eher weniger bekannt ist, dass der deutsche Philosoph auch Gedichte verfasst hat – insgesamt schrieb er über 700. Am 15. Oktober dieses Jahres wäre er 175 Jahre alt geworden. Zu diesem Jubiläum hat der Erlenbacher Kulturhistoriker und Kantonsrat Thomas Forrer (Grüne) die Gedichte nun erstmals gesammelt und in einem Band herausgebracht. Das Buch erschien diesen Frühling beim renommierten Alfred Kröner Verlag. Gemeinsam mit Stefan Winiger, Inhaber der Küsnachter Buchhandlung Wolf, sowie Laura Huonker, AL-Kantonsrätin aus Zürich, veranstaltete er nun eine Lesung dieser Gedichte. Winiger begrüsste die anwesenden Gäste im Saal der Buchhandlung und bedankte sich, dass man trotz des schlechten Wetters so zahlreich erschienen sei.

Schwierige Beziehung zu Frauen

Thomas Forrer lieferte eine ausführliche Einführung zu Nietzsche und dessen Lyrik. Ausserdem informierte er auch über wichtige biografische Ereignisse des Philosophen. Es sei ihm wichtig, dass die Gedichte von einer weiblichen Stimme vorgetragen werden, so Forrer, und spielte damit auf Nietzsches schwierige Beziehung zu Frauen an. Dazwischen trug Laura Huonker vereinzelte Gedichte mit grosser Inbrunst vor.

«Nietzsche ist kein typischer Welterklärer gewesen», sagte Forrer, der von Beruf Kultur- und Literaturwissenschaftler ist, «vielmehr wollte er, dass wir aus unseren Grundfesten herauskommen.» Seine Dichtung sei äusserst vieldeutig und vielseitig gewesen und habe einen wichtigen Beitrag zur deutschen Lyrik geleistet. «Seine Gedichte wurden immer in Zusammenhang mit seinem philosophischen Werk geschrieben», so der Literaturwissenschaftler weiter. Sein 1882 erschienenes Werk «Die fröhliche Wissenschaft» beginnt und endet beispielsweise mit einer Vorrede aus dem Gedichtzyklus «Scherz, List und Rache».

Schwester spielte wichtige Rolle

Viele seiner Gedichte sind in Nietzsches Jugendzeit entstanden. Bereits im zarten Alter von acht Jahren dichtete der junge Nietzsche und übte sich als Jugendlicher in diversen lyrischen Formen. Mit Schulkameraden gründete er den Freundschaftsbund «Germania» zum Zwecke der gegenseitigen Kritik und des literarischen Austausches. «Dabei liessen sie kein gutes Haar aneinander», so der Kantonsrat. Als Nietzsche dreizehn Jahre alt war, sinnierte und rezensierte er seine eigenen Gedichte, die er als Achtjähriger geschrieben hatte. Ausserdem erwartete seine Familie von ihm, dass er alljährlich ein Gedicht zum Geburtstag seiner Mutter – der 2. Februar – verfasste. Laura Huonker trug dieses sehr kindlich wirkende Schreiben des elfjährigen Nietzsches vor. Seine Mutter sprach er darin unschuldig mit «Mama» an.

Nietzsches Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche hat massgeblich dazu beigetragen, dass so viele seiner Gedichte erhalten geblieben sind. Denn trotz seines Ruhmes war Nietzsche, was die Veröffentlichung seiner Lyrik anbelangte, zurückhaltend und verbrannte, was ihm nicht gefiel. (Laura Hohler)