Mit dem Umzug der Migros-Klubschule gibt es fortan keinen Platz mehr für ein Buchbinder-Atelier. Die Hobbybuchbinder Zürichs haben nun ein neues Zuhause in der Buchbinderei Schreyer in der Grünau.
Das Handwerk des Buchbindens hat bis heute überlebt und bewahrt so manch ein Buch vor dem sicheren Untergang. Neue Schriften werden täglich noch von Hand gebunden, was heutzutage schon fast unvorstellbar ist. Meister wie Benjamin Schreyer (37) leben von diesem Handwerk. Seit einigen Jahren arbeitet er als Buchbinder in der Schweiz. Im Sommer 2016 ist er in sein Atelier an der Bernerstrasse Nord in der Grünau gezogen, einen Katzensprung entfernt von seinem alten Standort an der Bändlistrasse.
Entfaltungsraum
Im obersten Stockwerk der Bernerstrasse Nord befindet sich unter dem Dach ein riesiger Raum. Dort, wo mehr als genügend Platz für seine Werkbänke ist, teilt Benjamin Schreyer den Dachboden mit anderen Handwerkern, denen er Werkplätze zur Verfügung stellt. So kommt er geregelt mit verschiedensten Machern in Kontakt. «Bei meiner zeitweilig einsamen Arbeit ist das eine willkommene Abwechslung», schmunzelt er. Doch Ruhe braucht es für seine Arbeit. Er kann ganze Bücher von Grund auf fertigen. Dabei bedingt jeder Schritt, jeder Handgriff viel Geduld und Fingerspitzengefühl. Bis zum fertigen Buch können kleinste Fehler in allen Prozessen ein ganzes Buch ruinieren. Das Handwerk muss zu einem passen. Mit seiner ruhigen und überlegten Art wird Bindermeister Schreyer jedenfalls fast allen Büchern Herr.
Er arbeitet zum grössten Teil an Aufträgen für Archive und Bibliotheken. Dort sind die Vorgaben und Erwartungen klar, wie zum Beispiel für die aktuellen Sammlungen der Schweizerischen Bundesgerichtsentscheide. «Man muss halt seinen Lebensunterhalt finanzieren können», merkte er unbewegt an. Für alle anderen Kunden, die von kleinen Serien bis hin zum exotischen Einzelstück ganz ausgefallene Ideen haben, steht der Meister gerne für kreative Lösungen zur Verfügung. Dabei gibt es sehr viele Möglichkeiten, ein ganzes Buch zu gestalten. Je nach Aufbau und Material können einzigartige Exemplare geschaffen werden. So arbeitet er beispielsweise an Heftchen mit biegsamen Holzdeckeln.
Hobbybuchbinder
Benjamin Schreyer ist nicht der Einzige, der Freude daran hat, kreative Bindungen zu schaffen. Dass er umgezogen ist, freut nämlich überdies die Zürcher Hobbybuchbinder. Bis anhin konnten sie in den Migros-Klubschulen ihre Leidenschaft ausleben. Mit dem Umzug der Klubschule an ihren neuen Standort beim Bahnhof Altstetten hat die Migros künftig keinen Platz mehr für die Buchbinder. So haben die entwurzelten Hobbybinder ihren Weg zur Buchbinderei Schreyer gefunden, wo ab September wieder neue Kurse unter der Anleitung Schreyers stattfinden werden. In den Kursen, die jeden Montagabend stattfinden werden, können die Teilnehmer im eigenen Tempo an allem arbeiten, was sie interessiert. Anfängern wird das Basishandwerk beigebracht und Fortgeschrittene können ihre eigenen Projekte frei verwirklichen. Das unter der steten Begleitung des Meisters.
Aus Platznot haben somit zwei Parteien ihren Weg zueinandergefunden. Das Atelier bietet für alle jene ein Refugium, die im heutigen Einwegzeitalter aus der Wiederverwertung von Büchern eine Kunstform machen wollen. (jjm., Text und Foto)
Kursbeginn: 4. September, jeweils montags, 15–17 Uhr.
Buchbinderei Schreyer, Bernerstrasse Nord 182, 8064 Zürich, Tel. 079 154 32 04. www.buchbinderei-schreyer.ch