Johanna Spyris Heidi erobert die Welt

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Mit «Heidi in Japan» erzählt das Landesmuseum die erstaunliche Entstehungsgeschichte eines  japanischen Kinderfilm-Imports, der für ein positives Image der Schweiz sorgt.

«Arupusu no Sh jo Haiji», zu Deutsch «Alpenmädchen Heidi», ist eine japanische Trickfilm-Serie aus den 1970-er-Jahren, mit der Isao Takahata und Hayao Miyazaki Johanna Spyris kleine Heldin zu einem weltweiten Fernseh-Erfolg führen.
Berge, Alpen, eine unberührte Natur, freies Bauernleben – Heidis «japanische Väter» bringen Heimat-Idylle ins Kinderprogramm. Was würde Frau Stadtschreiber Spyri wohl dazu gesagt haben, dass aus ihrem kecken «Meieli» mit den blonden Zöpfen in der japanischen Anime-Version eine dunkelhaarige Heidi mit grossen Kulleraugen geworden ist?

Johanna Spyri (1827–1901)
Johanna wächst als Arzttochter im Hirzel auf. Sie heiratet 1852 den Juristen und späteren Stadtschreiber Johann Bernhard Spyri und folgt ihm nach Zürich. 1855 kommt Sohn Bernhard Diethelm zur Welt. Um nicht zwischen Küche und Bad zu verkommen, greift Johanna zur Feder und schreibt für Kinder kleine Geschichten. Mit Heidi, dem Geissenpeter und dem Alpöhi, Klara im Rollstuhl und dem strengen Fräulein Rottenmeier gelingen Johanna Spyri 1880/81 zwei Kinderbücher, die in kurzer Zeit zu Bestsellern werden und bis heute in über 50 Sprachen übersetzt und mehrmals verfilmt wurden.

Wie kommt Heidi nach Japan?
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat das gebeutelte Japan das Bedürfnis nach Harmonie und heiler Natur-Welt.
Heidis Alpenidylle symbolisiert die Schweiz als Land von Frieden und Naturschönheiten, an dem sich Japan orientieren will. Mit einem Zeichentrickfilm machen Isao Takahata und Hayao Miyazaki das Alpenkind Heidi zu einem Superstar, der die Herzen eines Millionen-Publikums erobert. Um den Schauplatz realistisch darstellen zu können, reisen die Anime-Künstler 1973 für einen Monat nach Meienfeld GR. Bei ihrer Ankunft sind auch sie, genau wie Heidi, überwältigt von dem Panorama der Berge. Miyazaki und Takahata saugen die unverfälschte Natur in sich auf. Sie gehen mit Schwung und Elan an die Arbeit. Miyazaki studiert in Schweizer Museen die Landschaftsmalerei Ferdinand Hodlers, dessen markante Alpenpanoramen man auch in seiner Kulisse erkennt. Einen Monat lang dokumentieren die Japaner ihre Entdeckungen mit Bild- und Tonaufnahmen. Jedes Haus, jede Wiese, die 450 Meter hoch gelegene Alphütte auf dem Ochsenberg – was sie zeichnen, entstammt einem bestehenden Vorbild. Dank dieser präzisen Recherchearbeit gelingt den beiden eine detailgetreue Nachbildung der Schweizer Natur, die in Japan einen wahren Heidi-Boom auslöst. Zum enormen Erfolg der Serie sorgt mit seinem Zeichenstrich der japanische Animator Yoichi Kotabe. Die Verniedlichung der Hauptfigur mit ihren Kulleraugen wird zum Markenzeichen der Anime- und Mangakultur.
Ein globales Phänomen
Das Studio Ghibli in Tokio bringt mit 52 «Heidi»-Folgen Begeisterung rund um den Globus in die Kinderzimmer. «Heidi, Heiiidiii! Deine Welt sind die Beeerge!» – das kleine dunkelhaarige Mädchen tanzt und hüpft im Museum über eine grosse Leinwand. «Heidi, Heiiidiii! Deine Welt sind die Beeerge!» Der Song kann auf Japanisch, Arabisch, Italienisch und Deutsch abgerufen werden. Die Begeisterung für Heidi im Land der aufgehenden Sonne bringt eine unbegrenzte Zahl Verkaufsschlager für Kinder auf den Markt. Heidi als Sammelfigur in Plastik und Plüsch, Heidi gedruckt auf Tassen und Geschirr, Malbücher, Spiele und vieles mehr. Der Rundgang zeigt mit Zeichnungen, Skizzen, Entwürfen, Fotografien und Objekten anschaulich die Vermischung von zwei Kulturen sowie die Entstehungsgeschichte der japanischen Trickfilmserie. Elke Baumann

Dauer der Ausstellung bis 13. Oktober 2019. Öffnungszeiten: Di–So 10–17 Uhr, Do 10–19 Uhr. Weitere Informationen unter: www.landesmuseum.ch