«Glas muss endlich für Vögel sichtbar gemacht werden»

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Nicht nur gegen das Sterben der Vögel durch Glas müsse mehr getan werden. Was noch alles dazugehört, erklärt die in Wollishofen lebende Umweltexpertin
Lisa Streuli. 

Lisa Streuli, Sie leben in Wollishofen und engagieren sich im Namen des Vereins proVogel für ein vogelfreundliches Bauen. Wie macht sich denn die Region Zürich so?

Die Situation mit dem gefährlichen Glas für Vögel beschränkt sich leider nicht nur auf die Region Zürich, es ist ein weltweites Thema, und das macht die Sache nicht einfacher. Der Verein proVogel ist jedoch seit einigen Jahren daran, private Personen, Architekten und Gemeinden zu sensibilisieren. Seit Jahren herrscht eine extreme Bautätigkeit mit leider ungebrochenem Trend zum Glas, was natürlich zu immer mehr Todesopfern führt. Glas muss endlich für Vögel sichtbar gemacht werden.

Warum fliegen eigentlich Vögel in die Glasscheiben?

Glas ist für Vögel unsichtbar. Vögel wissen auch nicht, dass sich Bäume und Sträucher in Scheiben reflektieren. Es ist schrecklich, dieser dumpfe Ton, wenn ein Vogel in vollem Flug in eine Scheibe prallt. Leider sterben nur schon in der Schweiz jedes Jahr bis zu einer Million Vögel wegen Glas. Und glauben Sie mir, die Dunkelziffer ist hoch, weil tote Vögel unbemerkt ganz schnell von Katzen, Füchsen und anderen Tieren weggeräumt werden.

Einrichtungen von vogelschützenden Massnahmen kosten doch für die Bauherrschaft zusätzliches Geld. Ein Argument, das Sie oft hören?

Wenn der Vogelschutz von Anfang an in das Projekt einbezogen wird, wird es keinesfalls teurer, ganz im Gegenteil. Teuer und unbefriedigend wird es erst, wenn man nachträgliche Massnahmen ergreifen muss, weil sich Mieterinnen und Mieter oder andere Leute über tote Vögel beschweren. Es gibt so viele einfache Massnahmen, um Glas für Vögel sichtbar zu machen, und den Ideen für eine kreative Anfertigung sind keine Grenzen gesetzt. Viele Beispiele findet man auf der Website proVogel.ch.

Ein Anliegen von Ihnen und dem Verein betrifft die Gestaltungsart der Gärten, was einheimische Sträucher und Stauden betrifft. Ist es nicht so, dass es in den Gartencentern nicht immer einfach ist, als Laie zwischen exotischen und einheimischen Pflanzen unterscheiden zu können? Hätten Sie da ein paar Tipps?

Nicht nur für Vögel, auch für unsere Insektenwelt sind einheimische Sträucher und Stauden unabdingbar. Zugegeben, viele Gartencenter verkaufen immer noch viele exotische Pflanzen, die für unsere Insektenwelt nutzlos sind. Doch je mehr Leute nach einheimischen Pflanzen fragen, desto mehr bieten die Gartencenter auch an. Seit einigen Jahren wird doch immer mehr Einheimisches angeboten. Fragen Sie immer nach Pflanzen, die unseren Insekten Nahrung bieten, das bringt die Gartencenter zum Umdenken!

Wie darf man sich Ihren Alltag vorstellen? Bauausschreibungen heraussuchen und zum Telefon greifen?

Das geht leider nicht, ich arbeite noch 80 Prozent, da reichen die Ressourcen nicht, um all den Bauausschreibungen hinterherzurennen (lacht). Aber das wäre genau das Richtige, die Bauherrschaften entsprechend aufzuklären. Die Verantwortung liegt aber eigentlich bei Kanton und Gemeinde. Sie müssten gemäss bestehenden Gesetzesartikeln den Bauherrschaften längst Auflagen machen, was aber leider nur in seltenen Fällen stattfindet. Es wird sich also erst nachhaltig etwas verändern, wenn in den Bau- und Zonenordnungen der Gemeinden ein entsprechender Passus dafür sorgt, grosse Glasflächen für Vögel sichtbar zu machen.

Sie geben auch Kurse und Führungen zu Schwalben und Seglern. Wie gross ist die Nachfrage?

Die Nachfrage war gross! Unter der Federführung von BirdLife Zürich wurden die letzten Jahre grosse Anstrengungen zum Schutz der Schwalben und Segler unternommen. Seitdem ist es bei mir mit den Kursen und Führungen etwas ruhiger geworden. Ich werde in den nächsten Jahren sicher wieder Führungen anbieten, aber vorerst geniesse ich die momentane Ruhephase.

Wie sehen Sie Ihre Arbeit? Bleibt es beim Sysiphus-Effekt, oder gehts vorwärts?

Das Engagement im Naturschutz ist immer ein zweischneidiges Schwert. Es gibt auf der Welt so viel Negatives, aber zum Glück auch immer wieder Positives. Ich glaube, sonst hätte ich schon lange aufgegeben. Solange ich mich bewegen kann, gibt es überall etwas, wofür man sich einsetzen kann. Selbstverständlich, wenn ich in die grosse weite Welt hinausschaue, wird es mir oft angst und bange, aber ich versuche dennoch, bei mir zu bleiben und im Kleinen vieles zu bewirken ..., zum Beispiel eine Schnecke oder einen Wurm von der Strasse retten! Schauen Sie mich nicht so entgeistert an ... (lacht). (Interview: Urs Heinz Aerni)