Die Parteilosen marschieren vor

Erstellt von Manuela Moser |
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Die Meldefrist für die Küsnachter Gesamterneuerungswahlen vom 15. Mai ist jetzt um. Die Liste mit den Kandidierenden ist bekannt. Es sind auffällig viele Parteilose, und dazu ist die Mitte-Partei aus ihrem Dornröschen-Schlaf erwacht.

Nun sind es also sechs und nicht nur zwei Kandidierende, die neu in den sieben­köpfigen Küsnachter Gemeinderat wollen. Mit Christina Zürcher (parteilos), die den Schulpräsidenten Klemens Empting (FDP) herausfordert, der von Amtes wegen automatisch im Gemeinderat einsitzt, sogar sieben. Oder anders gesagt: Sieben Neue wollen in den Gemeinderat, davon fünf Parteilose, ein FDPler, ein SVPler. Sechs Bisherige (Martin Schneider (SVP), Ueli Erb (SVP), Pia Guggenbühl (FDP), Markus Ernst (FDP), Klemens Empting (FDP) und Susanna Schubiger (GLP) werden ihre Sitze verteidigen. Zu verteilen gibt es bei den Wahlen im Mai ­insgesamt sieben Plätze, nachdem der Souverän im vergangenen Jahr der ­Verkleinerung der Exekutive von neun auf sieben zugestimmt hatte. 

Zwei Solide früh gesetzt

Aber der Reihe nach: Früh waren die Kandidaturen der SVP und FDP bekannt. Gleich nach den Rücktritts­erklärungen von Martin Wyss (FDP) und Ueli Schlumpf (SVP) Ende vergangenes Jahr. Schliesslich galt es da für die Regierungsparteien, ­ihren verlorenen Sitz möglichst früh zu sichern. Mit Adrian von Burg stellte sich ein gemässigter SVPler, ein Urküsnachter, Sohn des ortsansässigen Bäckers. Heute fungiert der noch junge von Burg als Co-Präsident der Ortspartei, bei den Hearings der Parteien soll der Immobilienfachmann mit seiner konsolidierenden Haltung gut angekommen sein. Auch Gauthier Rüegg kann eine solide Kandidatur vorweisen. Als Fachmitglied der Baukommission Küsnacht ist er bereits vertraut mit der Gemeindeverwaltung und schätzt diese. Als Bindeglied zwischen den Generationen – er gehört wie von Burg zu einer jüngeren Generation – könnte er, wie er selber sagt, «verbindend» wirken. Als Raumplaner sei er ­Generalist und für jedes Ressort geeignet. 

Den Rücktritt gab im vergangenen Jahr auch Walter Matti als dritter und vor allem einziger Parteiloser im Gemeinderat. Diese Lücke könnte sich nun aber mehrfach schliessen, denn gleich vier Parteilose stellen sich nun für den ­Gemeinderat: Claudio Durisch, Johannes Friess, Dieter Koenig und mit Urs Esposito auch ein Kandidierender für das Amt des Gemeindepräsidenten.

Wer sind diese Neuen?

Am bekanntesten von den vier partei­losen Neuen ist der Architekt Urs Esposito. Er meldet sich zu Wort bei Gemeinde­versammlungen, schreibt Leserbriefe und hat vor allem bereits vor vier Jahren einmal für den Gemeinderat kandidiert. 

Für Claudio Durisch, Portfolio­mana­ger bei den Liegenschaften der Stadt Zürich und Vater von zwei bald erwachsenen Töchtern, ist Politik praktisch im Erbgut. Seine Mutter wurde drei Jahre nach dem Frauenstimmrecht Gemeinderätin in Chur; ein Vorfahre war bei der Gründung des Kantons Graubünden und der Verfassung der Schweiz beteiligt. Dennoch war er selber bisher nie politisch aktiv und sieht seine Parteilosigkeit als Vorteil. «Weil ich dann die Interessen ­verschiedener Bewohner in der Gemein­de vertreten kann.» Eine verbesserte Kommunikation und höhere Zufriedenheit mit dem Gemeinderat und Wertschätzung den Bewohnern gegenüber wären ihm wichtig, wie er sagt.

Küsnacht sei eine wunderbare, attraktive Gemeinde, findet der zweifache Vater Dieter Koenig. Damit dies so bleibe, «brauchen wir im Gemeinderat unabhängige, freie und kompetente Menschen». Seit seiner Geburt lebt er in Küsnacht, sein Herz schlage für Küsnacht. Als Jurist, Vermögensverwalter und Finanz­spezialist könne er seine Kompetenzen in den Gemeinderat einbringen, und gerade als Parteiloser für eine offene, sachliche und unideologische Diskussion, frei von allen Parteibindungen, einstehen.

Johannes Fries schliesslich, ebenfalls Vater von zwei Töchtern, bezeichnet sich als neugierig und lebensfroh. «Ich kandidiere, weil ich eine Zukunftsvision für die Entwicklung der Gemeinde als wichtig erachte.» Als Gemeindeschreiber kenne er die Verwaltung; «Spuren hinterlassen» habe er in den Gemeinden Dägerlen, Elgg, Männedorf, Neftenbach, Geroldswil, sogar in Küsnacht von 2013 bis 2014, zuletzt nun in Fischenthal als Stellvertretender Gemeindeschreiber. 

Kommissionen gut bedient

Nebst dem Gemeinderat gilt es, am 15. Mai auch für die vier Kommissionen Mitglieder zu wählen – allen voran für die Schulpflege mit sieben Sitzen, für die Rechnungsprüfungskommission mit neun, die Bürger­rechtskommission mit vier und schliesslich für die Sozial­kommission mit drei Mitgliedern. Auch für diese Ämter haben sich 14 neue Personen zur Verfügung gestellt. Parteilich fällt auf: Am meisten Kandidierende stellt die FDP (fünf Kandidaten), gefolgt von der SVP (drei Kandidaten), dann der Mitte sowie der GLP (mit je zwei Kandidaten) und schliesslich den Parteilosen und der EVP mit je einem Kandidaten. Es fehlen die Beteiligungen von den Grünen und der SP sowie dem Bürgerforum Küsnacht.

«Statutarisch können wir gar nicht teilnehmen an den Wahlen», sagt Peter Ritter vom Bürgerforum, «in unserem Leitbild heisst es, das wir behörden­unabhängig bleiben wollen.» Dies gründe daher, dass das Forum politisch sachbezogen tätig bleiben wolle. Das ändere sich vielleicht einmal, so Ritter, momentan sei man daran, Junge aufzubauen. Auch bei der SP gibt es ein Altersproblem. Zudem ortet Präsident Ueli Häfeli ein «Stigma», welches seine Partei im Dorf hat: «Unser Wähleranteil ist gut, von 15 bis zu 30 Prozent, für viele schlägt das Herz also links, aber sie wollen im Geist liberal bleiben.»

Schliesslich bedauert der Präsident der Grünen, Jörg Stüdeli, dass aus seinen Reihen niemand für die Wahlen kan­didiert. «Glücklicherweise gibt es aber ­unabhängige Kandidierende, die für Spannung sorgen, auch beim Präsidium Gemeinderat und Schulpflege.»

Gemeindepräsident Markus Ernst, der in der Vergangenheit schon öfters angemerkt hatte, dass gewisse Parteien die ­Arbeiten des Gemeinderates und der ­Verwaltung stets kritisierten, selber aber nie anpackten, fühlt sich hingegen in ­seiner Meinung bestätigt. «Die Nicht­beteiligung der Vereinigungen, welche bei der Verkleinerung der Exekutive am meisten einen Rückgang der Vielfalt ­befürchtet haben, erstaunt mich etwas.» Es zeigte aber auch, dass Behördenarbeit letztlich Knochenarbeit sei, welche nicht alle leisten können oder wollen.

Die Mitte ist neu erwacht

Ein bisschen wie neu erwacht, scheint hingegen die Mitte-Partei, ehemals CVP. Sie stellt bei den anstehenden Wahlen für die Küsnachter Kommissionen zwei Kandierende. Es wären die Ersten aus diesen Reihen seit längerem, zurzeit sitzt nämlich keine einzige Person aus der Mitte-Partei in einem Küsnachter Gremium. Die ­Wiederbelebung der Mitte ist das Resultat einer geschickten Aufbau­arbeit, so Präsident Marc Flückiger auf Anfrage. Sie werde vor allem vom Vorstandsmitglied Peter Klauser geleistet, der – «zum Glück», so Flückiger – 2018 nach Küsnacht gezogen ist. «So kann er regelmässig am halbjährlichen Austausch des Gemeinderates mit den Vertretern der Ortsparteien teilnehmen und dort die Position der Mitte-Partei einbringen.» Flückiger selber wohnt in Erlenbach, wo die Mitte-Partei mit einem Gemeinderat, zwei Schul­pflegern und je einem Mitglied der Bau- und Planungskommission sowie der Liegenschaften­kommission zurzeit gut vertreten ist. «Prominent in Erscheinung getreten ist unsere Partei in Küsnacht mit einem Flyer, den wir gemeinsam mit der FDP in alle Haushalte verteilten. Als die zwei einzigen Parteien haben wir uns für die Verkleinerung der Exekutive eingesetzt.» Die Mitte habe damals an Profil gewonnen, ist Flückiger überzeugt. Seit 2020 suche man aktiv nach qualifizierten Küsnachter Persönlichkeiten, die der Mitte-Partei politisch nahestehen, um sie für eine Kandidatur in den Behörden­wahlen 2022 zu gewinnen. «Dies ist uns nun mit unseren beiden aktuellen Kandidierenden gelungen.»

Bekannt für gelungene Aufbauarbeit sind schliesslich die Grünliberalen. Vertreten in Küsnacht mit einer Gemeinde­rätin, stellt sich die Frage, ob man nicht mit einer zweiten Kandidatur gelieb­äugelt hat. Präsident Philippe Guldin: «Schon, denn fest steht, dass es in Küsnacht einen Wandel braucht.» Er erwartet aber von den Parteien SVP und FDP einen «starken Wahlkampf» – immerhin gilt es für die beiden, die Vormacht­stellung zu sichern. «Deshalb schauen wir lieber, wie es in vier Jahren aussieht», so Guldin. Dann seien weitere Rücktritte zu erwarten – beispielsweise von Markus Ernst oder Ueli Erb. Das würde dann Platz schaffen für den Vormarsch der GLP. 

Und dieses Jahr, was passiert? Man wird es bald sehen.