Die glücklichen Finninnen und Finnen pflegen in Zürich nicht nur ihre Sprache

Erstellt von Anna-Sofia Schaller |
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Finnland gilt als das glücklichste Land der Welt – die Schweiz ist stolze Vierte. Die Tabellenersten scheinen sich hierzulande äusserst wohl zu fühlen, die finnische Kultur wird vielenorts gelebt – vor allem an der «Finnischen Schule Zürich», die im Juni ihr 40-jähriges Bestehen feiert.

Finnland ist bekannt als Land der tausend Seen und steht ebenso für Heavy Metal wie für helle Sommernächte oder den Zauber der Nordlichter. In den jüngsten Jahren ist dem Nordstaat auch eine neue Zuschreibung zuteilgeworden: Finnland ist das glücklichste Land der Welt. Zum fünften Mal in Folge hat sich das grösstenteils dünn besiedelte Land im hohen Norden die Spitzenplatzierung im globalen Glücksranking gesichert. Die Lokalinfo hat sich auf die Suche nach dem Glücksrezept der Finnen gemacht und ist der Frage nachgegangen, weshalb es das glücklichste Volk der Welt in grosser Zahl nach Zürich verschlägt.

«Finnische Mafia in Zürich»

Stand 2020 wohnten 1284 Finninnen und Finnen im Kanton Zürich. Dies ist Angaben des Bundesamts für Statistik zu entnehmen. Die Vernetzung unterhalb der «Züri-Finninnen und -Finnen» sei bemerkenswert. So bemerkenswert, dass diese augenzwinkernd sogar als die «Finnische Mafia in Zürich» bezeichnet werden. Als Wohnort zieht Zürich Auslandfinninnen und -finnen schon seit geraumer Zeit an. Krister Björklund, Soziologe und ehemaliger Forscher am Migrationsinstitut der Universität Turku, hat die Einwanderungsströme von Finninnen und Finnen in die Schweiz genauer unter die Lupe genommen. Auf Anfrage erzählt der in Zürich lebende Forscher, dass sich die Zuwanderströme insbesondere im Zeitraum zwischen 1960 und 1980 intensiviert hätten.

Zu diesem Zeitpunkt seien vor allem Pflegefachpersonen in die Schweiz gezogen, die Einwanderung sei frauendominiert gewesen. Damals hätten schweizerische Arbeitgeber aktiv in Finnland rekrutiert. Heutzutage würden Finninnen und Finnen vor allem aufgrund der hier ansässigen internationalen Firmen in die Schweiz auswandern. Der international gute Ruf der ETH und der Universität Zürich ziehe zudem viele finnische Studierende an. Somit haben die Migrationsgründe der Züri-Finnen einen Wandel durchlaufen – die Beliebtheit des Wohnorts Zürich hingegen ist beständig geblieben.

Eine von neun Finnischen Schulen

In den 1980er-Jahren nahm die Zuwanderung von Finnen in die Schweiz besonders Fahrt auf. Dies war laut Björklund ein wesentlicher Faktor für die Gründung der Finnischen Schule Zürich. Sie wurde im Jahre 1981 ins Leben gerufen, 1982 nahm man den Unterricht auf. Parallel zur Schulgründung in Zürich wurde in Bern eine «Suomi-Koulu», wie die Schule auf Finnisch heisst, gegründet. Zu den Standorten in Zürich und Bern sind im Laufe der Jahre sieben weitere Schulen in der Schweiz hinzugekommen. Die nächsten Suomi-Koulus befinden sich in Zug und Winterthur. Schweizweit pflegt man eine enge Zusammenarbeit zwischen den Schulen.

Zwischen zwei Kulturen

Die Finnische Schule Zürich ist die grösste Suomi-Koulu der Schweiz. Dies dürfte wenig überraschen, zumal laut Björklund viele Finninnen und Finnen im Raum Zürich konzentriert sind. Der Unterricht ­findet zweiwöchentlich im Schulhaus Waidhalde und dem Schulhaus Bergli in Horgen statt. Die jüngsten Kinder sind dreijährig, die ältesten Schülerinnen und Schüler 13 Jahre alt. Im Unterricht vermitteln zehn muttersprachliche Lehrpersonen finnische Sprachkenntnisse und Landeskunde.

Die Finnische Schule Zürich ist eine von 28 kantonal anerkannten Schulen für «Heimatliche Sprache und Kultur», einem kantonalen Bildungsangebot, welches als Ergänzung zum regulären Schulbetrieb eingeführt wurde. In den Kursen sollen Sprachkenntnisse der eigenen Muttersprache vertieft werden. Auch eine Auseinandersetzung mit der Kultur der Zweitheimat soll ermöglicht werden. Die Schülerinnen und Schüler will man ausserdem in ihren Fähig­keit stärken, sich «zwischen unterschiedlichen Lebenswelten zu bewegen», wie die Website des Kantons informiert.

Weihnachtsmann aus Lappland

Die Finnische Schule Zürich organisiert rund ums Jahr Feste und traditionelle Anlässe. So findet etwa jedes Jahr ein Frühlings- und ein Weihnachtsfest statt. Bei Letzterem kommt sogar der Weihnachtsmann höchstpersönlich aus dem hohen Norden, dem «Korvatunturi» in Finnisch-Lappland, angereist. Auch das aktuelle 40-Jahr-Jubiläum der Schule wird gebührend gefeiert: Am 11. Juni wird die fin­nische Improvisationstheatergruppe «Häpeämättömät» (Deutsch: «Die Schamlosen») ein Theaterstück auf die Bühne der Vogtei Herrliberg bringen. Im Anschluss soll zum Takt des populären Tanzorchesters «Uusikuu» getanzt werden.

Die Feierlichkeiten seien wichtiger Bestandteil der Tätigkeit der Finnischen Schule, zumal sie auch Gemeinschaft stiften. «Gemeinschaftlichkeit ist ein zentrales Anliegen der Finnischen Schule», äussert sich Schulleiterin Heidi Poutanen im Gespräch mit dieser Zeitung. Poutanen selbst ist vor fünf Jahren durch ihren Freund in die Schweiz gekommen. In Finnland war sie als Lehrerin und Forscherin für nordische Sprachen an der Universität Helsinki tätig. Die Finnische Schule leitet sie nun seit drei Jahren.

Heidi Poutanen betont, dass die Finnische Schule auch als Austauschmög­lichkeit für Auslandfinninnen und -finnen dienen soll. Somit sei der Verein ein Angebot für die ganze Familie. Parallel zum Unterricht der Suomi-Koulu wird so auch eine Cafeteria betrieben: Bei Kaffee und finnischen Leckereien können Eltern und jüngere Geschwister der Schulkinder ins Gespräch kommen.

Glücksfaktor Natur

Beim Thema Finnland stellt sich unausweichlich die Frage nach dem Glück. Von Forscher Björklund wollte die Lokalinfo erfahren, woraus sich das Glück der Finnen zusammensetze. In seiner Antwort geht der Soziologe auf den Wohlfahrtsstaat und die bestehenden Sozial- und Gesundheitsreformen ein – man habe die Gewissheit, dass man sich im Ernstfall auf die Gesellschaft verlassen könne. «Im Vergleich zu anderen Ländern hat Geld in Finnland einen niedrigen Stellenwert», fügt Björklund an.

Heidi Poutanen ihrerseits erklärt sich das Glück durch die Naturverbundenheit der Finnen: «Ich denke schon, dass das Glück mit der Natur und der von ihr ausgehenden Ruhe zusammenhängt.» Ob die Kunst des Glücklichseins denn auch an der Finnischen Schule Zürich gelehrt werde? Poutanen lacht und sagt: «Im Unterricht werden durchaus verschiedene Komponenten des Glücks besprochen. Aus den vielen kleinen Dingen setzt sich schlussendlich auch das grosse Glück zusammen», erzählt die Schulleiterin. Auf jeden Fall scheinen sich Finninnen und Finnen auch in Zürich auffallend glücklich zu fühlen.

Freiwilliges Schulfach: ­Finnische Landeskunde

Die Finnische Schule Zürich stellt eine freiwillige Ergänzung zum regulären Schulbetrieb dar und ist als Verein organisiert. Primär verfolgt der Verein das Ziel, finnische Sprachkenntnisse und Landeskunde an Kinder von Auslandfinninnen und -finnen zu vermitteln. Der Unterricht findet im zwei­wöchentlichen Rhythmus im Schulhaus Waidhalde und dem Schulhaus Bergli in Horgen ausserhalb der regulären Schulzeiten statt.

Die Finnische Schule Zürich hat ­einen vom Volksschulamt ausgestellten Status als unterrichtende Instanz der Lektionen in «heimatlicher Sprache und Kultur» – dieser HSK-Status macht es möglich, dass ein Besuch an der Finnischen Schule auch im Schulzeugnis der öffentlichen Schule vermerkt wird. Wie der Website der Finnischen Schule Zürich zu entnehmen ist, wird die Finnische Schule zudem von der finnischen Bildungsdirektion unterstützt. Weltweit existieren rund 130 Finnische Schulen, davon sind 9 in der Schweiz stationiert.