«Der Streik hat unsere Anliegen legitimiert»

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Die Lokalinfo hat nach dem Frauenstreik von vergangenem Freitag mit einer der profiliertesten Frauenrechtlerinnen der Schweiz gesprochen.

Zita Küng*, was raten Sie jungen Frauen?
Mit anderen jungen Frauen ins Gespräch zu kommen. Denn bei allen Irritationen, die ich spüre, muss ich herausfinden, ob diese mit mir zu tun haben oder ein gesellschaftliches Problem sind. Diese Auseinanderhaltung ist entlastend. Denn es stimmt nicht, was man uns sagt: Wenn es nicht klappt, dann ist es deine Schuld.
Junge Mädchen erzählen, dass Buben in der Klasse sagten: Wenn ihr an die Demo geht, dann stellt ihr euch als Opfer dar.
Das müssen Frauen entschieden zurückweisen. Wir wissen, dass wir nicht freiwillig in diesem Gefühl sind, dass etwas nicht stimmt.
Vieles hat sich nicht verbessert, wie zum Beispiel die Sicherheit im Ausgang.
Als junge Kantonsrätin habe ich damals den Antrag gemacht, dass es ein Ausgehverbot für Männer geben sollte. Ich habe mit dem Verursacherprinzip argumentiert. Das fand natürlich niemand lustig, aber es gab eine Debatte. Das Zweite: Wir haben Begleitungen organisiert, denn die einzige Sicherheit, die es für Frauen gibt, sind andere Frauen. Wir müssen raus. Und draussen für die anderen Frauen schauen. Es geht um die Solidarität, die hilft.
Heute setzen Sie sich für eine feministische Ökonomie ein. Was heisst das?
Der riesige Berg an Gratisarbeit, den Frauen produzieren, muss thematisiert werden. In der Politik darf nicht mehr so diskutiert werden, als wäre das «Natur». Wie sie bezahlt wird, auch da finden wir eine Lösung.
Wie haben Sie den Frauenstreik am 14. Juni erlebt?
In Glarus und Zürich, wo ich teilgenommen habe, war es unglaublich, unfassbar kraftvoll. Und später habe ich erst realisiert, das es zeitlich in der ganzen Schweiz genau so war.
Was nimmt die Frauenbewegung mit?

Die enorme Kundgebung gibt den Gewerkschaften und Parteien die Legitimation, die Gleichstellungsanliegen an die Hand zu nehmen. Jede einzelne Frau ist jetzt Akteurin und muss sich keine blöden Bemerkungen mehr gefallen lassen. Der unausgesprochene Konsens, die Gleichstellung sei erreicht, ist am Freitag klar und wuchtig aufgekündigt worden. Wichtig ist jetzt, sich auszutauschen. Das ist eine neue Praxis, die die Schweiz noch nicht gesehen hat. (Interview: Manuela Moser/ Foto: ls.)

*Zita Küng (65) leitete das Zürcher Gleichstellungsbüro von 1990 bis 1996 und berät Unternehmen in Gleichstellungsfragen.