Das Museum Rietberg präsentiert mit «Schattentheater aus Java – Geschichten über das Leben und die Welt» eine bezaubernde Ausstellung.
Das Schattenspiel hat eine faszinierende Magie, die den Betrachter aus der Wirklichkeit in eine andere Welt führt. Seit über 1000 Jahren spielen die Menschen im asiatischen Raum Schattentheater. «Das Spiel mit dem Schatten» hat seinen Ursprung als Kunst- und Theaterform auf der Insel Java. Besonders bekannt sind die kunstvollen von Hand hergestellten Figuren des «wayang kulit» aus Indonesien. 2003 wird es Bestandteil der Unesco-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit.
Altes und populäres Spiel
«Wayang» steht für Schatten, im Sinne von Geist oder Ahne, aber auch für Humor, Lebensweisheit und Freude – «Kulit» steht für Leder. Das Wayang Kulit ist ein Spiel mit aus Büffelhaut geschnitzten Flachpuppen, die vom Spieler virtuos mit Hornstäbchen geführt werden. Es ist nicht nur das älteste, sondern auch das populärste Spiel mit Schattenfiguren. Erzählt werden Geschichten aus hinduistischen Epen, vom Kampf Gut gegen Böse, Moral und Tugend, vom Sinn des Lebens, vom Wirken der Götter und von Begegnungen mit den Geistern der Ahnen.
Der Schatten ist der treueste Begleiter des Menschen, und niemand kann über seinen eigenen Schatten springen. Seine magische Wirkung kommt besonders in einem Schattenspiel zum Ausdruck. Da früher Kerzenlicht und Öllampen als Lichtquelle verwendet wurden, war der optische Reiz durch die Bewegung der Flamme attraktiv, fast geheimnisvoll. Der Wechsel von Licht und Schatten, von Hell und Dunkel kommt den Inhalten des Schattenspiels entgegen und wird nicht zuletzt aus Angst vor drohendem Unheil aufgeführt.
Südostasiatische Glanzstücke
Mit der Sammlung Stohler erhielt das Museum Rietberg 2016 eine Serie erstklassiger Wayang-Kulit-Figuren aus Java. In der Ausstellung werden sie, neben wertvollen Leihgaben, zum ersten Mal öffentlich gezeigt. In den Museumsräumen tummeln sich über 50 Figuren: Götter, Helden, gute und böse Könige, Spassmacher, schöne Frauen, Dämonen, Bösewichte und unehrenhafte Nobelmänner.
Jedes Wayang Kulit beginnt mit den Klängen des Gamelan-Orchesters. Der Dalang, der Spielleiter, dirigiert das Theater, das mit einer blattförmigen Figur, dem Gunungdan, Symbol des Weltenbaums, eröffnet wird. Dann geht es nach Einbruch der Dunkelheit zur Sache – bis zu acht Stunden! Am Ende des Spektakels verschwindet als letzter der Gunungdan vom Bildschirm. Applaus, Applaus – das Gute hat das Böse im ewigen Kampf wieder besiegt.
Auf parallel stehenden Beinen
Beeindruckend ist das Herstellen der Figuren. Bis zu einer Woche Arbeit steckt in einer Schattenspielpuppe aus Leder. Die Form der Silhouette deutet den Charakter einer Figur an: Unförmiger Körper und dicker Bauch stellen einen Narren dar, alle edlen Typen haben eine langgezogene Stirn, eine spitze Nase, mandelförmige Augen und eine schmale Taille. Die Jugend zeigt sich mit langen Haaren, der königliche Regent mit einer Krone, der Grobian mit knubbeliger Stirn und hervorstehenden Augen. In der Ausstellung werden alle wichtigen Bereiche des Wayang Kulit vorgestellt, verschiedene Filme und ausführliche Texte ergänzen das Bild.
Bei traditionellen Schattenspielen sitzt das Publikum vor der Projektionsfläche, heute wird die Seite des Dalangs bevorzugt, wo man die farbigen, lichtdurchlässigen Figuren in ihrer ganzen Schönheit bewundern kann. Ob vor oder hinter der Projektionswand: Besucherinnen und Besucher der Schau im Museum Rietberg werden sich dem Zauber des traditionellen indonesischen Schattentheaters nicht entziehen können.