Auf der Geisterbahn durch den Garten von HR Giger

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Das Haus von HR («Hans Ruedi») Giger in Seebach ist eine Schatztruhe. Zahlreiche Skulpturen, Möbel und Bilder sind verborgen von der Öffentlichkeit im Garten und in seinem ehemaligen Atelier im hinteren Teil des Hauses aufgestellt.

Haus und Garten sind hinter den Bäumen kaum zu sehen. Obwohl vielen bekannt ist, dass hier HR Giger, der Erschaffer von «Alien», lebte, ist den wenigsten bewusst, dass dort zahlreiche Skulpturen, Bilder und Erinnerungsstücke vorhanden sind. Eine Gruppe von Interessierten konnte im Rahmen des noch bis 2. September dauernden Kunstfestivals «Neuer Norden Zürich» das immense Schaffen und das ehemalige Atelier des weltbekannten Künstlers besichtigen.

Zodiac und Geisterbahn
Wer den Garten betritt, sieht zuerst einen kleinen Teich. Doch bereits hier entdeckt man zwischen den zahlreichen Pflanzen einige spezielle Skulpturen im HR-Giger-Stil. In eine andere Welt taucht man ein, wenn man durch eine Art Garage in den hinteren Teil des Gartens tritt. «Passen Sie auf, der Boden ist nach dem Regen weich», warnt Carmen Giger, die Witwe von HR («Hans Ruedi») Giger. Zwischen Schädeln, rot besprayten Figuren und abstrusen metallisch glänzenden Gestalten hat man fast das Gefühl, in die mit HR Gigers Werken verbundene Unterwelt abzusinken.

Der Besucher weiss nicht, wohin er zuerst schauen soll. So viel gibt es zu entdecken. In diesen Teil des Gartens dringt kaum Sonnenlicht. Der Zodiac-Brunnen in der Mitte läuft nicht mehr. Man wolle versuchen, ihn wieder in Betrieb zu nehmen, so Carmen Giger. Einzelne Tierkreise, dargestellt als nicht immer sofort erkennbare biomechanoide Figuren, drehen sich, wenn man ihnen einen Stoss gibt. Einige Figuren sind (blut-) rot. «Wir besprayen diese regelmässig mit roter Farbe, damit sie so bleiben», erläutert Carmen Giger.

Am Boden fällt dem Besucher das Gleis auf. Dieses führt durch den Garten, durch ein Tor in einen Tunnel sowie ins Haus. Carmen Giger erinnert sich: HR Giger fuhr morgens auf einem Wägeli auf der Geisterbahn durch den Garten. Die Idee dazu stammt aus Gigers Kindheit in Chur.

Der Vater sah alles
Im hinteren Teil des Hauses ist das Atelier von HR Giger. In diesen Räumlichkeiten sind zahlreiche Skulpturen, Schädel, Möbel wie Stühle, Tische und Lampen, Bilder und vieles mehr zu sehen. Der Oscar, den HR Giger für «Alien» in der Kategorie «Beste visuelle Effekte» erhielt, ist ebenfalls vorhanden. Über eine steile Treppe geht es in Gigers ehemaliges Atelier. Am oberen Ende hängt – alles überblickend – ein Ölgemälde von HR Gigers Vater, dem Churer Apotheker Hans Richard Giger.

Die Aliens von HR Giger sind biomechanoide Monster in erotischen Kampfformationen mit metallisch glänzenden und ins Groteske verlängerten Rückenwirbeln. Es sind Roboterreptilien mit ovoiden Schädeln und aufs Zerstören hin angelegten Zahnstellungen. Mit dem dunkel glänzenden Airbrush versprühte HR Giger Angst und kreiste um die primären Vitalprozesse: Sex, Schwangerschaft, Geburt, Gewalt und Sterben. Der Rausch des Grauens und der Panik bestimmte Gigers eigenen Ruhepuls. Giger hat auch gemalt. Einige der etwa 600 Gemälde mit Tusche und Acrylfarben sind im Atelier zu sehen. Anfang der 90er-Jahre gab Giger die Malerei auf, um sich ganz dem dreidimensionalen Schaffen zu widmen.

«Lustig und lebensfroh»
Obwohl sein Werk etwas makaber ist, dem Tod nahe, war HR Giger ein lebensfroher Mensch. «Er war lustig und liebenswert», erinnert sich Carmen Giger. Was einmal mit den zahlreichen Werken geschehen soll, ist offen. Man habe noch keine Gespräche mit der Stadt geführt, so Carmen Giger. Die Zeit drängt darum, weil angrenzend ans «Museumshaus» eine grössere Überbauung geplant ist. Laut Carmen Giger soll diese langfristig für mehr Verkehr in den lauschigen Quartierstrassen sorgen. So oder so bleibt der Künstler in Seebach für alle sichtbar verewigt. 2016 wurde nämlich ein neuer Weg nach ihm benannt. Es ist die Verbindung zwischen Ettenfeld- und Unterwerkstrasse. (ls./pm.)

Künstler mit weltweitem Bekanntheitsgrad

HR (Hans Rudolf) Giger, Maler, Zeichner und Industrial Designer, gehörte zu den wichtigsten Vertretern des Phantastischen Realismus. Er wurde 1940 in Chur geboren. Nach Besuch des Gymnasiums und einer Bauzeichnerlehre studierte er von 1962 bis 1965 Innenarchitektur und Industriedesign an der Kunstgewerbeschule in Zürich. Während seiner Ausbildung entstanden erste Tuschfederzeichnungen («Atomkinder»). Als Möbeldesigner für Knoll International schuf er sich einen Namen als Innenarchitekt. 1972 wandte er sich der Spritzpistolen-Technik zu, die zu seiner hauptsächlichen Maltechnik wurde. Daneben schuf er zahlreiche Skulpturen und Bilder, mit denen er nach Ausstellungen bekannt und kommerziell erfolgreich wurde. Bereits früh etablierte er sich auch in der Popkultur – seine Plattencovers für Debbie Harry und Emerson, Lake & Palmer gelten als Meilensteine.
Seine Mitarbeit am Science-Fiction-Film «Dune» brachte ihm den Auftrag zur Ausstattung für Ridley Scotts «Alien». Für seine Mitarbeit an diesem Film wurde Giger 1980 in der Kategorie «Beste visuelle Effekte» mit einem Oscar geehrt. 2007 gab es eine grosse Ausstellung über sein Schaffen im Bündner Kunsthaus. Schon 1992 wurde im Churer Industriequartier die Giger-Bar eröffnet, 1998 dann in Greyerz im Kanton Freiburg das Museum HR Giger. Diese wird von der Wittwe Carmen Giger geleitet. HR Giger lebte und arbeitete bis zu seinem Tod im Jahr 2014 – eine Folge eines Sturzes in seinem Haus – in Seebach. (pd./pm.)