Anfang April haben Stefanie Wettstein und Marcella Wenger aus dem «Haus der Farben» bei einer Vernissage die Küsnachter Farbkultur erläutert. Verschiedene Farbporträts von Gebäuden sind in einem Buch zusammengeführt.
Wenn man ein Haus baut, spielen verschiedene Faktoren eine Rolle – wie gross soll es sein, in welcher Art, wie sehen die Fenster aus ... Was aber auch ein wichtiger Aspekt ist, ist die Farbe des Gebäudes. Welche Farbe haben die Läden, das Dach? Welche Gedanken man sich dabei machen kann und wie die Gebäude in Küsnacht farblich gestaltet sind, das erläutern kürzlich Stefanie Wettstein und Marcella Wenger. Unter der Leitung der Küsnachter Abteilung Hochbau und Planung mit den Mitgliedern des Fachbeirats Ortsbildschutz und Denkmalpflege und der Küsnachter Baukommission haben sie eine Publikation erarbeitet. Diese soll als visuelles Arbeits- und Kommunikationswerkzeug dienen. Die Inhalte der Publikation «liefern keine Rezepte, sondern dienen als visuelle Referenz in der Diskussion der Farben». So steht es in der Einleitung geschrieben. Farbentscheide für Gebäude sollen sich an den Beispielen in der Publikation orientieren können.
Marcella Wenger und Stefanie Wettstein sind aus dem sogenannten «Haus der Farben», einer Fachschule für Gestaltung in Handwerk und Architektur. 2005 haben sie ein Institut gegründet, mit welchem sie durch massgeschneiderte gestalterische und handwerkliche Dokumentation und Beratung den Wissenstransfer fördern und einen differenzierten und wirkungsvollen Einsatz von Farbe möchten – in Unternehmen, Institutionen und im öffentlichen Raum. «Wir wollen bewirken, dass die Bevölkerung nach unseren Erläuterungen vielleicht etwas anders durch ihren Ort läuft», so Wettstein. Die beiden Frauen machen sich jeweils ein Farbbild vor Ort und involvieren dabei gerne Fachleute und Interessierte in den Prozess. «Unsere Feststellungen sind nicht verbindlich, wir wollen damit einfach Raum für Neues und für Experimente schaffen und die Öffentlichkeit erreichen», betont Wettstein.
Farbporträts zur Darstellung
Nachdem die Frauen dies bereits an vielen Orten gemacht haben, ist nun Küsnacht an der Reihe. Mit einem Beispielgebäude aus Berlin erklären sie, wie sie sogenannte «Farbporträts» für Häuser erstellen, wie verschiedene Farben zusammenspielen können und was für eine Beziehung sie haben. Wenger erklärt: «Bei einem Farbporträt versuchen wir, das Farbwesen des Gebäudes zu erfassen und den Kontext zwischen den einzelnen Farben zu zeigen.» Farbporträts sollen den vollständigen Farbklang eines Gebäudes zeigen. Die abstrahierte Darstellung der Bauten ist pro Gebäude auf vier Ebenen reduziert – Sockel, Fassade, Dachunterschicht und Dach. Innerhalb jeder Ebene sind die Farben aller Bauteile in ihren Quantitäten und ihren relevanten Nachbarschaften wiedergegeben. Dieser Gesamteindruck der Farbkomposition bildet laut den Fachfrauen eine übersichtliche Referenz für die Diskussion über Farbe in der Architektur.
Auch für verschiedene Gebäude in Küsnacht haben die beiden Farbporträts erstellt, wo man dann im Gesamtbild die Farbkultur Küsnachts erkennt. In ihrer Publikation «Farbkultur Küsnacht» sind zwölf dieser Farbporträts aufgeführt. «Wir haben ausschliesslich positive Beispiele gewählt, wir wollen niemanden kritisieren und nichts schlechtreden», betont Wettstein. «Beim Erkunden der Farbkultur einer Stadt schauen wir die Gebäude mit einem Filter an», so Marcella Wenger. «Wir machen Gebrauch von unseren Kompetenzen und analysieren die Gebäude.» Ausserdem erwähnen sie die Physiologie vom Farbensehen und zeigen auf, dass auch dies eine grosse Rolle spielt. Die ausgewählten Bauten und Gebäudegruppen in der Publikation stehen jeweils stellvertretend für eine Typologie, eine Epoche oder ein Farbthema.
In Küsnacht haben sich Wettstein und Wenger mehrheitlich auf typische beziehungsweise auch auffallende Gebäude fokussiert. «Bei unserem Rundgang haben wir auch erkannt, wie vielfältig Küsnacht ist und welch hohe Qualität die Gemeinde hat», so Wettstein. Den analysierten Gebäuden haben sie dann auch passende Namen gegeben. Ein Haus, dass sie sich angeschaut haben, ist die alte Orangerie an der Kohlrainstrasse. «Die Fassaden der Orangerie zeichnen sich durch ein raffiniertes Zusammenspiel von kunsthandwerklicher Technik aus, kombiniert mit einer aparten, einzigartigen Farbigkeit.» So steht es im Text bei der alten Orangerie; Wenger und Wettstein nannten das Farbkonzept «Forever Young». «Dieses Gebäude ist ein sogenannter ‹Solist›, da es sehr auffällig ist und dominiert. Die Materialfarbigkeit ist ziemlich ortstypisch für Gebäude am Zürichsee», sagt Wettstein.
Auch Wohnbauten ziehen sie in ihre Analyse mit ein, zum Beispiel drei Wohnhäuser an der Felseneggstrasse, die sie als «traditionell unbunt» und ländlich bezeichnen. Hier bringen sie eine Faustregel ins Spiel – kein Haus soll weisser sein als die Kirche. Das Weiss der drei Häuser ist nämlich ziemlich unweiss. «Die reduzierte, aber auch nuancierte Gestaltung führt zu farbigem Reichtum», schreiben sie über die Häuser in der Publikation. Ebenfalls thematisiert wird ein Mehrfamilienhaus an der Zürichstrasse, das die Frauen als «zeittypisch und wertig» bezeichnen. Das Haus hat graue und graublaue Farben mit roten Akzenten bei den Markisen. Insgesamt sei die Farb- und Materialgestaltung dieses Gebäudes prägnant und klar. Die Kantonsschule Küsnacht findet in der Publikation ebenfalls ihren Platz, mit ihren modernen, aber auch alten Facetten.
«Hilfestellung, kein Reglement»
«Wir erfreuen uns sehr an der Schönheit von Küsnacht», schliessen die beiden Frauen ihre Präsentation ab. Und worauf muss man nun achten, wenn man eine Farbe für ein Haus wählt? Laut den beiden Frauen sei es hilfreich, innerhalb der Farbporträts von Küsnacht nach Themen zu suchen, die mit dem entsprechenden Bau zu tun haben: Gebäudeart, Auffälligkeit, Standort und Zweck des Baus. «Die Publikation soll eine Hilfestellung und ein Werkzeug sein, kein Reglement», betonen die Frauen. «Die Porträts bilden Diskussionsgrundlagen und bieten Argumente an, sie zeigen den Reichtum von Farbklängen an einem einzigen Bau und machen aufmerksam auf Details.»
Weiss, Ocker und auch Gelb – das sind Farben, die in Küsnacht häufig anzufinden sind und das ortstypische Kolorit bilden. Ansonsten seien in Küsnacht viele komplexe und heterogene Situationen vorhanden, wie die Kantonsschule. Schliesslich sind in der Publikation noch Empfehlungen für Farbentscheide aufgeführt.
Die Vernissage kam beim Publikum gut an. Bei der Fragerunde wurde rege diskutiert. Ein Herr hätte gerne Negativbeispiele gehabt. «Ich sehe manchmal so schrecklich gestrichene Häuser», bedauerte er. «Es wäre sicherlich spannend gewesen, auch solche Beispiele zu sehen.» Wettstein antwortete darauf mit einem Lächeln: «Das stimmt sicher, andererseits streicht wohl niemand sein Haus absichtlich ‹schlecht›.»