Der Erlenbacher Gemeinderat soll seinen Entscheid «nachvollziehbar» begründen. Darauf wartet die Bevölkerung seit dem Austritt aus dem gemeinsamen Seerettungsdienst Küsnacht-Erlenbach. Nun gibt es neuen juristischen Zündstoff. Ein Bürger findet, es hätte das Volk entscheiden sollen.
Noch sind viele Fragen offen, beispielsweise zu den Kosten oder dem tatsächliche Mitspracherecht. Fakt ist aber: Die Gemeinde Erlenbach hat die 90-jährige Zusammenarbeit mit dem Seerettungsdienst Küsnacht per Anfang Oktober aufgekündigt. Und dies, wie einige finden, klammheimlich. Denn nur eine Indiskretion hat die Absicht, die schon vor einem Jahr beschlossen wurde, an die Öffentlichkeit gebracht (wir berichteten).
Nun wird die Sache auch noch zu einer juristischen Streiterei. Jens Menzi, der die Vertragsauflösung mit einer Petition von in Windeseile über 500 gesammelten Unterschriften verhindern wollte, hat nun in Art. 24 Abs. 2 Ziff. 8 der Erlenbacher Gemeindeordnung eine Schwachstelle gefunden: Die Gemeinde soll laut ihm nämlich gar nicht befugt gewesen sein, den Vertrag ohne einen Beschluss der Gemeindeversammlung aufzulösen. «Mit dem Originalvertrag vom 7. Oktober 1944 hat die Gemeinde Erlenbach die hoheitliche Befugnis an die Gemeinde Küsnacht übertragen», so Menzi, seines Zeichens alt Gemeinderat und damals als Sicherheitsvorsteher zuständig für den Seerettungsdienst. «Gemäss der Gemeindeordnung erfordert eine solche Übertragung bei einem Wechsel auf eine andere Gemeinde einen Beschluss der Gemeindeversammlung.» Dieser Übertrag auf den Seerettungsdienst (SRD) der Gemeinden Horgen, Oberrieden, Thalwil und Herrliberg ist aber per 1. Oktober 2024 bereits erfolgt; erst nach Zustimmung aller SRD-Verbundsgemeinden wird Erlenbach Anfang 2025 vollwertiges Mitglied werden. Und hier ortet Menzi eine weitere Schwachstelle: «Verträge im Bereich der Sicherheit dürfen nur gekündigt werden, wenn eine neue Lösung bereits gesichert ist.» Hier bewege sich die Gemeinde rechtlich auf unsicherem Boden. Eine Klärung durch den Bezirksrat behält sich der ehemalige Gemeinderat vor. Menzi war als Parteiloser 16 Jahre lang Exekutivmitglied; vor zweieinhalb Jahren trat er zurück – vier Jahre arbeitete er noch mit dem heutigen Präsidenten Philipp Zehnder (parteilos) zusammen. «Ich orte persönliche Gründe hinter dem Konflikt», sagt Menzi. Auf dem Online-Portal «Forum Erlenbach» wird spekuliert, dass der Gemeindepräsident am Titel «Sheriff von Erlenbach» wohl Gefallen gefunden habe (so bezeichnte Lukas Hässig im Online-Finanzportal «Inside Paradeplatz» Philipp Zehnder kürzlich).
Für die Gemeinde Erelnbach ist die Rechtslage allerdings klar. «Gemäss kantonaler Schifffahrtsverordnung sind die Seegemeinden verpflichtet, den Seerettungsdienst sicherzustellen», so Gemeindeschreiberin Adrienne Suvada. Der Vertrag von 1944 (Anm. d.Red.; zehn Jahre lief die Abmachung zuerst mündlich) mit Küsnacht entspreche einem Dienstleistungsvertrag, sprich: Die Gemeinde Erlenbach hat die Besorgung des Seerettungsdienstes extern ausgelagert und hat daher keine Mitspracherechte. «Wie bei jedem Dienstleistungsvertag ist der Gemeinderat berechtigt, diesen zu kündigen und die Aufgabenerfüllung wieder selbst zu übernehmen, sollten die Umstände dies erfordern.» Dies sei beim Beschluss vom 22. August 2023 – damals wurde der Vertrag mit Küsnacht gekündigt – der Fall gewesen.
Neu ist es ein Anschlussvertrag
Der Vertrag mit dem SRD Horgen sei anders gelagert, so die Gemeindeschreiberin weiter. Es handle sich hier um einen Anschlussvertrag nach Paragraf 78a des Gemeindegesetzes. «Wir übertragen die Verpflichtungen des Seerettungsdienstes nicht und bezahlen für die Dienstleistung, sondern besorgen ihre gesetzlichen Verpflichtungen gemeinschaftlich.» Die Standortgemeinde Horgen sei lediglich für die organisatorischen und administrativen Belange zuständig. Jede der Anschlussgemeinden habe eine Stimme. Über Anschlussverträge wiederum dürften die Stimmberechtigten an der Urne bestimmen, wenn eine Gemeinde ihre hoheitlichen Befugnisse abgebe oder wenn der Vertrag Kosten zur Folge hätte, die an der Urne bewilligt werden müssten. «Finanziell ist der Anschlus an den SRD Horgen unter dem Schwellenwert von 300 000 Franken.» Fazit laut Gemeindeschreiberin: Beide Punkte treffen nicht zu; es lässt sich keine Zuständigkeit der Gemeindeversammlung ableiten.
Die Kosten sprechen zudem für einen Wechsel, so Suvada weiter: Der Verbleib bei Küsnacht wird mit 75 000 Franken pro Jahr beziffert (Anm. d. Red.: zu einem früheren Zeitpunkt waren es mal 90 000; Küsnacht nannte 80 000 Franken). Und der Vertrag hätte eine Dauer von 20 Jahren – mit, laut Suvada, «unklarem Einbezug in den Budgetprozess». Beim SRD Horgen hingegen werde Erlenbach Teil eines «klar definierten Verbundes» und bekomme das gleiche Mitspracherecht wie alle Verbundsgemeinden. Die Initialkosten liegen bei 20 000 Franken, danach 30 000 Franken. Der Vertrag sei zudem mit einer Frist von 12 Monaten jedes Jahr kündbar.
Küsnacht reicht weiter die Hand
Für den Küsnachter Sicherheitsvorsteher Claudio Durisch (parteilos) ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. «Wir halten die Türen weiterhin offen für Erlenbach, auch über 2024 hinaus.» Weil man überzeugt sei, das «es sinnvoll ist, diese Aufgabe gemeinsam in einer Freiwilligenorganisation zu bewältigen». Man habe Erlenbach eine attraktive Offerte für die Zusammenarbeit zugestellt. Die Kosten wären laut Durisch trotz kürzlicher Sanierung des Seerettungsgebäudes nicht gestiegen. «Unser Angebot liegt Erlenbach schriftlich vor.» Im Angebot seit auch die Institutionaliserung der Mitsprache vorgesehen.
Gerda Koller (Die Mitte), Sicherheitsvorsteherin von Horgen, bestätigt, dass durch die Vertragsgemeinden des SRD Horgen vorerst eine Übergangsvereinbarung mit Erlenbach bis Ende 2024 unterzeichnet worden sei. «Bis Ende Jahr sollen nun gleichlautende Gemeinderatsbeschlüsse aller Verbundsgemeinden vorliegen.» Die Kosten sind laut Koller noch Bestandteil der pendenten Beschlussfassung. Dass der SRD Horgen keine eigenen Taucher hat, wie teils bemängelt wird, stört sie nicht: «Taucheinsätze werden bei uns durch die kantonale Seepolizei abgedeckt. Im Gegensatz zu uns als Milizorganisation hat diese andere Mittel und anderes Material.» Rettungstechnisch könnten aber beide Varianten den übergeordneten Auftrag der Sicherheit erfüllen.