Vom wahren Wert der guten Dinge

Erstellt von Isabella Seemann |
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Die Engelshaar-Pasta, die dem Restaurant Finifini den Namen gab, soll glücklich machen. Nicht nur deswegen wurde die Edeltrattoria in Küsnacht kürzlich mit 14 Gault&Millau-Punkten ausgezeichnet. Ein Besuch bei Gastgeber Thomas Kiefer und Chefkoch Gianfranco Bruno.

Nachdem die letzten Gäste gegangen sind, satt und glücklich, setzt sich Thomas Kiefer mit einem Espresso neben den Kachelofen in der heimeligen Gaststube, fischt aus einem Couvert eine Rechnung – und strahlt. «Das bezahlt man doch gerne», sagt der Gastronom und weist auf das gelbe Emailleschild mit den roten Gault&Millau-Hauben und der «14» drauf, das wie ein Gütesiegel am Eingang des Restaurants Finifini befestigt ist. 

Das Durchhalten hat sich gelohnt für Thomas Kiefer, der das Lokal 2018 zur Pacht übernahm. «Der Start war völlig verrückt», gibt er heute offen zu. «Wir hatten vier sehr harzige Jahre.» Zuerst schreckte die aufgerissene Zufahrtsstrasse vor dem Haus die Gäste ab, dann auferlegten die staatlichen Massnahmen zur Bekämpfung der Epidemie den Gastronomen schwierigste Arbeitsbedingungen. «Wir konnten noch keine zwölf Monate am Stück normal arbeiten.» 

Quereinsteiger in der Gastronomie

Kiefers Glück: Er konnte sein Hobby zum Beruf machen. Und was man liebt, dafür kämpft man. «Angefangen hat alles damit, dass ich leidenschaftlich gerne Gastgeber bin und Gäste verwöhne und auch selber gerne gut esse und trinke.» Er sei als Quereinsteiger in die Gastronomie gekommen, erzählt der 57-jährige gebürtige Deutsche. Sein Curriculum auf einen Satz destilliert: An der ETH Zürich studierte er Maschinenbau, wanderte nach Mexiko aus, wo er das Familienunternehmen in der Automotive-Branche führte und vor rund 15 Jahren verkaufte. An diesem Punkt eröffnete er ein italienisches Restaurant in Mexico City, das sich schnell zu einem «place to be» in der Hauptstadt mauserte. Mit dem italienischen Sternekoch Salvatore Tassa tüftelte er ein Franchising-Konzept für eine Restaurantkette aus. Doch es kam anders als geplant.

Kaum war Kiefer 2017 in die Schweiz zurückgekehrt, wo er sich in Herrliberg niederliess, wurde das Lokal im Haus zum Trauben in Küsnacht frei – und er setzte die Idee in Eigenregie um. Durch seine Kontakte in der italienischen Gourmetbranche fand er seinen idealen Koch in der Basilicata, Gianfranco Bruno – «Wir ticken gleich» –, um mit ihm die Idee eines «italienischen Restaurants wie in Italien» umzusetzen.

Originell ist die Idee nicht, in der Gegend von Zürich ein italienisches Ristorante zu eröffnen – oder über ein solches zu schreiben, zugegeben. Ausnahmen gibt es aber, und das Finifini ist so eine. Chefkoch Gianfranco Bruno setzt kompromisslos die italienische Küche um – ohne sie an den hiesigen Geschmack anzupassen, ohne sich den Konventionen zu beugen. Dem Schönen und Guten seit jeher zugetan, wollte er eigentlich Künstler werden, erzählt der 37-Jährige. Aber er wollte auch alle seine Sinne befriedigen. «Der Duft einer Tomatensauce, der Geschmack der Kräuter, das Brutzeln des Fleisches – es gibt kaum eine sinnlichere Tätigkeit als Kochen.» Das lernte er schon von Kindesbeinen an in der Küche seiner Mutter, aber er machte auch noch eine Ausbildung zum Koch.

Maximum an Eigengeschmack

Was Gianfranco Bruno heute unter dem wachsamen Auge seines Patrons kocht, ist Kochkunst in höchstem Grade. Modern und raffiniert, preziös und originell. Er verfügt über jene kulinarische Intelligenz, die bei der Entscheidung für eine Zutat, für ein Aroma so wichtig ist. Und er will vermitteln, wie man aus einem Produkt das Maximum an Eigengeschmack he­r­ausholt. Ausserdem ist seine Küche eine Verneigung vor den kulinarischen Traditionen seiner Heimat. Abstraktion, Tradition, Gefühle – und Reinheit. Im Italienischen klingt das etwas eleganter: purezza.

Da ist zum Beispiel «la cipolla fondente» («die geschmolzene Zwiebel»), süss, warm und zart. Der «brasato di manzo al Montepulciano», der König der Braten, aromensatt und elegant. Und natürlich die Engelshaar-Pasta, die dem Lokal dem Namen gab: Finifini – auch die Nähe zu «fein, fein» passt bestens – und sie soll gemäss Aussage der Testesser von Gault&Millau beim Essen regelrecht «glücklich machen». In dieser Edeltrattoria stimme einfach alles, schwärmten sie und berichteten von einem «kulinarischen Höhenflug!» – mit Ausrufezeichen.

«Die Auszeichnung ist eine Genug­tuung, ein Ansporn, aber auch eine willkommene Ehrung», sagt Geschäftsführer Thomas Kiefer. Die Kundschaft an der Goldküste sei die beste, die man haben könne. «Sie ist nicht nur sehr kaufkräftig, sondern auch sehr loyal.» Just letztere ­Eigenschaft sei auch die grosse Herausforderung für einen Neuling, denn es gelte zuerst, die Kundschaft überhaupt auf sich aufmerksam zu machen und sie für sich zu gewinnen. Das Ziel des Duos: die Linie halten und sich stetig verbessern.

Wenn Thomas Kiefer die Teller abräumt – der Patron legt hier noch selbst Hand an –, dann stellt er nicht die Allerweltsfrage, ob es «gut war», sondern er fragt: «Haben Sie Spass gehabt?» Denn ein Essen im Finifini soll mehr sein als nur eine Gaumenfreude.

Damit zeigt die Finifini-Crew, dass es an der Goldküste noch Platz für einen Italiener gibt, der grosses Essvergnügen und charmante Gastfreundschaft offeriert. Und dass es lohnt, darüber zu berichten.

Finifini Trattoria Italiana, Untere Wiltisgasse 20, Küsnacht, Telefon 044 910 48 55; www.finifini.com