«Theater bleibt für immer meine Liebe»

Erstellt von Robin Walz |
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Auf der Bühne des Küsnachter Vereins Kulisse hat David Edmond seine Theaterkarriere lanciert. Nun kehrt er als Regisseur zurück. Ab dem 8. März präsentiert der 35-Jährige das Drama «Parzival» nach der Romanvorlage von Lukas Bärfuss – seine erste unabhängige Regiearbeit.

David Edmond, bald starten Sie mit der Küsnachter Theatergruppe Die Kulisse die Aufführung des Stücks «Parzival». Das tönt nach einer «alten Kiste» von Rittergeschichten und heiligem Gral. Ist das für die heutige Zeit noch interessant?

Das Stück basiert auf dem mittelhochdeutschen Versroman von Wolfram von Eschenbach. Lukas Bärfuss hat es modernisiert und sprachlich aufgefrischt, wobei er sich inhaltlich weitgehend an die Vorlage hält. Der Schwerpunkt der Inszenierung ist die Frage nach einer Welt, die aus der Fuge geraten ist und die jemanden braucht, der sie in einer Geste von Mitgefühl, in diesem Fall Parzival, befreit. Ich finde, das ist besonders für heute relevant. Wir sind konfrontiert mit Krieg, mit Spaltungen in der Gesellschaft und dem Klimawandel. Also mit Zeiten, die aus den ­Fugen geraten sind.

Noch ein Grund für die Wahl des Stücks?

Es gibt die praktische Seite. Man hat ein Ensemble mit einer bestimmten Grösse und man muss ein Stück finden, das zu diesem passt. Die andere Seite ist der Zeitpunkt der Stückauswahl. Diese fand statt, als Covid-19 Ende 2022 langsam am Auslaufen war und die Frage nach Begegnung, Mitgefühl und einer aus den Fugen geratenen Welt für mich sehr aktuell war. Gelesen habe ich das Stück Anfang 2022, als der Ukraine-Krieg ausgebrochen war, und mir ist diese These einer Welt, die nicht mehr stimmt, stark eingefahren. Am Schluss wird diese durch Parzival erlöst, indem er den kranken Gralskönig fragt, wie es ihm geht. Dies als Schlussmoment zu haben und damit die Welt zu erlösen, hat mich einfach enorm berührt, in einer Zeit, wie wir sie durchleben.

Also ist das Stück ein direkter Aufruf zu mehr Mitgefühl in unserer Gesellschaft?

Das ist sehr plump und vereinfacht gesagt, aber irgendwie stimmt es schon. Das Fehlen von Mitgefühl ist ein grosses Problem. Das heisst nicht, dass man mit allen immer Mitgefühl haben muss. Aber man sollte sich grundsätzlich häufiger fragen, was mit der Person, dem Wesen oder auch der Natur ist, die einem gegenübersteht. Und nicht nur, was mit mir los ist, was mein Frust oder mein Stress im Alltag ist. Das ist das Mitgefühl, das ich meine.

Dank den sozialen Medien scheint Mitgefühl wie kollektives Trauern oder das öffentliche Empören eigentlich gross im Trend zu sein. Ist das nicht das Gleiche?

Es gibt auch solche Formen von Mitgefühl, das will ich nicht abstreiten. Aber wenn ich meine sozialen Medien öffne, frage ich mich manchmal, ob etwas tatsächlich Mitgefühl ist und ob es eine einfache Art ist, um Mitgefühl zu signalisieren. Wenn man sich wirklich diesem Gefühl stellt und wenn man sich wirklich fragt, wie es jemand anderem geht, dann hat das Konsequenzen für das eigene Handeln und Leben.

Inwiefern?

Das ist von Fall zu Fall und von Mensch zu Mensch wohl anders. Es kann etwas vermeintlich Kleines sein, wie dass man sich vornimmt, nicht mehr so schnell auf das Gegenüber wütend zu werden, die Sicht des anderen vermehrt versucht zu verstehen. Oder es kann dazu führen, dass man sich freiwillig engagiert oder klimafreundlicher lebt. Es geht mir aber viel weniger um die tatsächliche Konsequenz – sondern darum, dass ich der festen Überzeugung bin, dass man, wenn man wirklich versucht, jemand anderen zu verstehen und mitzufühlen, sich verändern wird. Beinahe automatisch.

Welche anderen Themen werden in ­«Parzival» sonst noch behandelt?

Mitgefühl steht für mich schon im Zentrum. Aber das zweite grosse Thema ist im weitesten Sinn Exklusion. Parzival ist jemand, der ausserhalb der Welt aufgewachsen ist und die Regeln der Welt nicht kennt. Er wird von der Gesellschaft nicht akzeptiert und fühlt sich fremd, aber möchte trotzdem unbedingt dazugehören. Ich glaube, das kennen wir alle in irgendeiner Form. Und drittens steht die Frage nach der Erlösung im Raum.

Haben Sie die Buchvorlage von Bärfuss für die Bühne gekürzt oder verändert?

Wir mussten seine Vorlage ein bisschen kürzen. Sonst wäre das Stück einfach zu lange geworden.

Hat das Theaterstück eine persönliche Bedeutung für Sie?

Aufführungen erhalten immer eigene ­Bedeutungen, vor allem durch den Probeprozess. Wir haben Ende August 2023 angefangen, da steckt fast drei Viertel Jahr Leben drin. Und die Frage danach, wer ich bin und wohin ich gehöre, stellt sich bei mir persönlich im Moment extrem stark. Das ist die Frage, die sich auch Parzival stellt. Ich möchte aber gar nicht zu viel sagen. Denn ich finde es schöner, wenn die Leute ihren eigenen Sinn im Stück finden.

Sie haben Ihre ersten Theatererlebnisse auf der Bühne der «Kulisse» gesammelt. Nun führen Sie die Regie derselben Truppe. Was ist das für ein Gefühl?

Ein sehr schönes. Ich habe mich wahnsinnig gefreut, als mich die «Kulisse» angefragt hat. Es war ein Heimkommen, zum Teil zu Leuten, mit denen ich auf der Bühne gestanden bin, als ich noch ein kleiner Knopf war. Ich hatte Respekt vor diesem Moment, vor diesem Wechsel vom Jugendlichen zum erwachsenen Mann, der das jetzt anleiten muss. Aber es hat wunderbar geklappt. Die Theatertruppe hat mich sehr herzlich empfangen.

Wie würden Sie die Zusammenarbeit mit dem Ensemble beschreiben?

Alle Teilnehmenden lassen sich auf die Inszenierung ein. Manchmal widerspricht man sich oder stösst sich die Köpfe, aber das gehört zu diesem kreativen Prozess dazu. Wichtig ist auch, dass ich gemeinsam mit den Spielenden arbeite. Die Leute wissen dann, dass sie nicht einfach nur Werkzeuge für die Regie sind, sondern ein Teil vom Ganzen, und sich auch einbringen können und sollen. Mit ihnen zusammenzuarbeiten, hat mir wahnsinnig Freude bereitet.

Die «Kulisse» ist ein Laienverein. Wie gross war der Aufwand?

Wir haben seit vergangenem August einmal pro Woche geprobt plus ein paar ­Probewochenenden. Es ist sehr schön zu sehen, wie viel Herzblut diese Leute reinstecken und was dabei herauskommt. Die meisten von ihnen kommen direkt von ihrer Arbeit zur Probe und müssen dann nochmals bis um 22 Uhr schuften. Und dann muss man zum Teil noch ein ganzes Wochenende durcharbeiten. Es ist schon streng. Aber es gibt einem persönlich auch viel.

Ist das Ihr erstes Projekt als Regisseur?

Ich habe die Bühnenadaption «Souhung» mit Maria Rebecca Sautter koinszeniert, die zum Jungspundfestival 2024 in St. Gallen eingeladen ist. Und ich habe während meiner Zeit, als ich im Schauspielhaus Zürich als Regieassistent gearbeitet habe, immer wieder kleinere Sachen gemacht. Aber «Parzival» ist die erste richtig eigene Regiearbeit, die ich wirklich unabhängig und alleine gestalte.

Machen Sie das hauptberuflich?

Nein. Ich arbeite an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) im Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen als Forscher im Bereich der Nachhaltigkeitskommunikation. Nachdem ich vier Jahre lang im Schauspielhaus gearbeitet habe, brauchte ich ein wenig Abstand, denn es war eine tolle, aber auch sehr strenge Zeit. Ich habe dann ein Studium in Germanistik und Geschichte absolviert und nun diesen Job gefunden, wo ich 80 Prozent arbeite. Die Theaterprojekte, die ich nebenbei habe, versuche ich so gut wie möglich mit Ferien und Kompensieren daran vorbeizubringen. Es ist eine Gratwanderung und im Moment geht aus finanziellen Gründen das Theater alleine nicht. Aber wer weiss, vielleicht eines Tages.

Ist das Ihr langfristiges Ziel?

Am Ende schon. Das Theater ist meine erste Liebe und wird es auch für immer bleiben. Ich fühle mich an wenigen Orten wohler und mehr mich selber als auf ­einer Probe. Dieses Jahr ist noch ein Projekt geplant, Anfang nächstes Jahr noch eins. Und vielleicht ergibt sich ja mit der «Kulisse» noch mal was, das würde mich freuen. Die Idee ist schon, wieder mehr Fuss fassen zu können im Theater.

Was kann das Publikum von Ihren Aufführungen erwarten?

Ich hoffe, dass es ein ästhetischer und berührender Abend wird, der einen zum Denken und zum Lachen anregt.

Gibt es ein bestimmtes Publikum, das durch das Stück angesprochen wird?

Das hoffe ich nicht. Für mich ist Kunst für alle da. Wer aber Ritterrüstungen und echte Burgen erwartet, wird enttäuscht. Mein Stück ist eine moderne Inszenierung. Es findet alles eher in ­einer ästhetischen Überhöhung statt.

Wie meinen Sie das?

Theater ist für mich deshalb interessant, weil es anders funktioniert als ein Film. Letzterer kann diese Illusion von Echtheit konstruieren. Beim Theater ist das nicht möglich. Man muss sich vieles vorstellen, was physisch nicht präsent ist. Das kommt einem ungeschriebenen Vertrag zwischen dem Publikum und den Schauspielern gleich. In dem steht zum Beispiel: Da steht jetzt eine Burg, auch wenn sie nicht wirklich dort steht.

Haben Sie Lukas Bärfuss zu einer Vorführung eingeladen?

Ja! Wir haben ihn über den Verlag eingeladen. Ich habe zeitgleich mit ihm am Schauspielhaus gearbeitet. Ich kenne ihn also im weitesten Sinne, aber wir haben uns schon seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Er weiss wahrscheinlich nicht mehr, wer ich bin. Ich fände es natürlich toll, wenn er käme, aber ich weiss es nicht. Ich habe keine offizielle Zusage erhalten.

Wem würden Sie das Stück besonders gerne zeigen?

Ich freue mich enorm, das Stück Leuten zu zeigen, die ich seit meiner Zeit am Schauspielhaus kenne. Denn für mich ist diese erste alleinige Arbeit wie eine Form von «Coming-out». Hier zeige ich meine ästhetische Welt oder zumindest einen Teil davon. Besonders freue ich mich auch, es meiner künstlerischen Partnerin Maria Rebecca Sautter vorzustellen, mit der ich kürzlich auch ein Theaterkollektiv gegründet habe. Und natürlich zeige ich es gerne meinen Eltern.

Die Aufführungen

Die Premiere vom Stück «Parzival» findet am 8. März um 19.30 Uhr im katholischen Pfarreizentrum St. Georg an der Kirchstrasse 2 in Küsnacht statt. Weitere Vorstellungen: 9., 10., 15., 16., 17., 21. und 22. März, jeweils um 19.30 Uhr (ausser am 10. und 17. März um 17 Uhr). Tickets unter www.kulisse.ch oder in der Buchhandlung Wolf (Zürichstrasse 149, Küsnacht). Der Eintritt kostet 35 für Erwachsene, 25 für Mitglieder des Theatervereins und 15 Franken für Jugendliche sowie Lehrlinge und Studierende mit Ausweis.