Spanisch auf die eingängige Art:«On air» gehts flugs an den Strand

Erstellt von Manuela Moser |
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Andrea Gatani wohnt seit fünf Jahren in Küsnacht und baut sich seither als Spanischlehrerin ihre eigene Sprachschule auf. Die gebürtige Argentinierin begeht mit ihrem Podcast neue Wege. Sie findet nämlich: Lernen muss Spass machen.

«Vamos a la playa» (Lass uns an den Strand gehen) – so viel Spanisch verstehen alle. Aber dann, wie weiter? Wie lernt man eine Sprache richtig? Gut und schnell? Andrea Gatani hat sich mit dieser Frage ausführlich beschäftigt. Wir sitzen in ihrem Arbeitszimmer, daheim im ruhigen Goldbachquartier in Küsnacht. 

Hier im Dachstock in ihrer Wohnung hat sich die gebürtige Argentinierin eingerichtet, ihr auffälligstes Gadget ist ein professionelles Moderationsmikrofon, dann ein Laptop. Einige Diplome zieren die Wände («Ich liebe Weiterbildungen», wird sie später sagen). Was eher wie ein Radiostudio aussieht, ist der Arbeitsplatz der selbstständigen Sprachlehrerin, die mit zwei Muttersprachen – spanische Mutter, italienischer Vater – im sonnigen Mendoza am Fuss der Andenkette in Argentinien aufgewachsen ist. 

Thematische Vielfalt

«Ich versuche, Sprache nicht nur über das Geschrieben und Gehörte zu vermitteln, sondern auch den Spassfaktor nicht auszulassen.» So hatte die 44-jährige Wahlküsnachterin folgende Idee: Podcasts ­aufnehmen, mit Themen zu Kultur, Geschichte, Kino, Büchern, aktueller Weltlage. Sie bespricht die Podcasts selber oder interviewt Bekannte aus der ganzen spanischsprachigen Welt. «So bekommen meine Schülerinnen und Schüler auch verschiedene Akzente des Spanischen zu hören», so Gatani. 

Damit ist es aber nicht getan. Podcasts gehörten zum Lehrprogramm, wöchentlich neu aufgenommen, aber jeden Podcast transkribiert die ambitionierte Lehrerin, ergänzt ihn mit Grammatik, Übungen, Erklärungen, Wortschatz. Wer einen Podcast hört, kann selber wählen, wie viel Hintergrundmaterial er oder sie dazu will, preislich bewegt sich das Angebot im Abo von 4 bis 9.5o Euro pro Monat. Je nachdem, wie gross man sein «Package» wählt. Nur den Podcast zu hören ist gratis. Daneben bietet Gatani klassische Unterrichtsstunden an, entweder einzeln bei sich zu Hause, in regelmässigen Klassen in Zürich oder in Konservationsgruppen – auch online. 

Vor zwölf Jahren ist Gatani in die Schweiz gekommen, seit fünf Jahren lebt sie nun in Küsnacht, ihre eigene Sprachschule eröffnete sie Ende 2022 – nicht zuletzt als Folge von Corona. Aber der Reihe nach. 

Mutter und Tochter wandern aus

Die Reise von Andrea Gatani begann nämlich früher, genau mit 22 Jahren. Bis dahin lebte die damals junge Studentin in Argentinien, bei ihrer Mutter. Dann brach die grosse Finanzkrise aus. «El corralito», wie sie sagt. Das war 2001. Ihre nur 21 Jahre ältere Mutter – damals 43 – verkündete dem einzigen Kind quasi aus heiterem Himmel, sie wandere nach Spanien aus. Der Vater, geschieden, blieb in Argentinien. Mit dem Wegzug der Mutter aber hätte Gatani ihre Wohnung, ihre Existenz («denn das Studium zu finanzieren war sehr teuer») und ihr Daheim verloren – also wanderten Tochter und Mutter zusammen aus.

Ansässig wurden die beiden Frauen auf den Kanarischen Inseln, Fuerteventura ganz genau, der Insel «der starken Winde», wie Gatani gleich übersetzt. Dort kannten sie Freunde, dort gab es im Tourismus Jobs. Die Tochter fasste sofort Fuss bei einer italienischen Hotelkette, dank ihrer Zweisprachigkeit; die Mutter als Rezeptionistin in einer Autoverleih-Firma. Fünf Jahre lang. Und dann hatte Gatani genug von der Insel. «Man läuft nach links, und es ist Meer, man läuft nach rechts, und es ist Meer.» Sie muss dabei selber lachen. Aber diese Begrenztheit machte ihr zu schaffen. «Zu viel Stand, zu viel Sonne.» Was wie schöne Ferien klingt, vertrieb Gatani aufs spanische Festland. Zusammen mit ihrem damaligen Mann liess sie sich in Valencia nieder.

Wieder hatte Gatani sofort einen Job. «Ich bin eine Macherin», sagt sie von sich selbst. «Und ich bin eine Bibliotheksmaus.» Deshalb all die Diplome – zur anerkannten Spanischlehrerin, zum Sprachkurs an der SAL, der Fachdidaktik an der ZHAW. Und: «Ich habe eigentlich die Schweizer Mentalität.» Sie sei eher privat, schliesse nicht so schnell Kontakt, wolle arbeiten und Leistung erbringen. «Aber ein DNA-Test hat ergeben, dass ich keine Schweizerin bin.» Wieder muss sie selber lachen. Und doch war ihre erste Begegnung mit Zürich magisch.

«Mein damaliger Mann ging voraus, weil er in Zürich Freunde kannte», erzählt sie. Er lebte als Erstes auf dem Zeltplatz Fischer’s Fritz, am Rande der Stadt, und liess seine Frau übers Telefon wissen: «Ich verstehe kein Wort, aber hier funktioniert alles und es ist ruhig. Das ist so erleichternd. Es lässt sich hier arbeiten und leben.» Nach zwölf Jahren in Spanien, und eigentlich auch schon in Argentinien, wo das Geld trotz langen Arbeitstagen kaum reichte, eine schöne Erfahrung. Als Gatani in die Schweiz nachreiste, war ihr Mann gerade jobbedingt unterwegs, sie kam bei Dunkelheit – in der Hand nur einen Koffer – alleine auf dem Zeltplatz an und ertastete sich ihren Weg zum Wohnwagen. Am nächsten Morgen, schon beim ersten Sonnenstrahl, erwachte sie ganz früh und nahm erstmals die Umgebung wahr. Sie sah den See und ging sofort auf einen Schwumm. «Wenn das meine Begrüssung ist», dachte sie sich bei diesem grossartigen Gefühl, «dann ist das hier mein Platz.» Und ihre Einstellung dabei stimmte von Anfang an. Sie sagte sich nämlich: «Ich habe einen Kopf, zwei Hände, zwei Beine. Also finde ich Arbeit.»

Sting mag ihren Apfelstrudel

Privat kam es zur Trennung, beruflich lief es für Gatani aber sehr gut. Sie arbeitete erst in einem Zunfthaus im Back Office; dann wurde sie sozusagen für die Zürcher Edelkonditorei Schober entdeckt, weil sie mit ihrem Gebäck Freunde beeindruckt hatte. «Sting, der bekannte britische Sänger, kam einst extra zum Schober, weil er meinen Apfelstrudel so sehr mochte», weiss die mehrfach begabte Selfmade-Woman – das ist Gatani nämlich durch und durch – zu erzählen. Getroffen hat sie den Weltstar persönlich nie – dafür lernte sie vor nunmehr acht Jahren ihren heutigen Schweizer Ehemann Theo kennen.

Mit ihm – auch er selbstständig tätig als Mitinhaber der Physiotherapie Zürichsee – lebt sie seit fünf Jahren in Küsnacht. Vor sechs Jahren begann Gatani, an der Klubschule Migros Spanisch zu unterrichten. «Ich bereite immer viel vor», sagt sie. So hat sie viel eigenen Lernstoff, den sie für ihre private Schule und die Podcasts verwenden und vertiefen kann. Der Erfolg des Podcasts und die Erfahrung mit Online-Unterricht während der Pandemie waren der Startschuss für ihr eigenes Business.

Und was ist nun der Schlüssel, um eine Sprache schnell und gut zu lernen? «Man muss in die Sprache reingehen wie in die Musik», sagt die erfahrene Sprachlehrerin, «lieber täglich zehn Minuten als nur einmal, dafür länger, wöchentlich.» Dann bleibe der Rhythmus, der Duktus einer Sprache bei einem besser hängen. Und dies unabhängig davon, ob man etwas verstehe oder nicht. Es durchfliesse einen quasi unbewusst. «Und das», sagt sie, «ist die beste Voraussetzung für das Erlernen einer Sprache.» Sie muss es wissen. Denn die wissbegierige Lehrerin hat natürlich auch Kurse in Neurologie besucht.

Redaktorin Manuela Moser fliegt im Herbst nach Alicante. Sie probiert – als absolute Anfängerin – das Spanischprogramm von Andrea Gatani aus und berichtet dann von ihren Erfahrungen.