Linda Steck störte sich an den zurückhaltenden Stoffdesigns hierzulande. Also produzierte die 22-Jährige selbst welche und verkauft jetzt Sonnenschirme. Damit ist sie vermutlich die jüngste Unternehmerin in Herrliberg – und auch schweizweit eher die Ausnahme.
Es ist Vormittag, Anfang August. Die Steinplatten vor dem Haus in Herrliberg sind nass, es riecht nach Gras. Aus der Haustür schaut ein freundliches Gesicht. Linda Steck, 22 Jahre, trägt weisse Leinenhosen und ein rotes Oberteil mit blauen Blumen. An ihren Fingern stecken silberne Ringe. Obwohl Steck schon längst in die Stadt umgezogen ist, verbringt sie hier, im Haus ihrer Eltern, viel Zeit.
Vom Eingangsbereich führt eine Treppe direkt in Stecks Atelier: ein langer Tisch, auf dem sich ihre Skizzen und Muster ausbreiten, vier Stühle, ein Sofa – alles hat hier seinen Platz, wirkt vorbereitet und doch beiläufig. Steck setzt sich an den Tisch. «Sechs Monate», sagt sie, «habe ich hier gearbeitet.» Sechs Monate, die geprägt waren von Skizzen, Farben, Mustern. In dieser Zeit hat Steck den «Blauen Pfau» gegründet, ihr eignes Unternehmen.
Von Pfau und Meer inspiriert
Der «Blaue Pfau», das sind drei Sonnenschirme mit unterschiedlichen Designs, die Steck selbst entworfen hat: knallige Farben, inspiriert von Pfau und Meer. Mit den auffallenden Stoffdesigns wollte sie den zurückhaltenden Farben und Mustern hierzulande entgegentreten. «230 Franken kostet ein Schirm», sagt Linda Steck fast beiläufig, als ob sie sich an den Preis der Arbeit schon gewöhnt hätte. Die Schirme haben es dieses Jahr weit gebracht, von Genf bis Basel, aber auch vor Ort stehen sie: in Herrliberg und Erlenbach.
Nach ihrem Studium in Design an der Zürcher Hochschule der Künste hat sie sechs Monate lang in der Textildruckerei in Arbon gearbeitet, in einer der letzten Siebdruckereien der Schweiz. Sechzig Meter lange Stoffbahnen, zwölf Kilometer insgesamt, hat sie von Hand bedruckt: für Marokko, für die Basler Fasnacht, für ein Modehaus in Paris. Hier, sagt sie, habe sie gelernt, was gutes Design ausmache – und warum Farben so entscheidend seien. Das Praktikum hat ihre Faszination für Stoffe weiter verstärkt.
«Auf eigene Faust»
Als junge Unternehmerin in der Schweiz ist Linda Steck eine Ausnahme: Gemäss dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) wurden im Jahr 2021 schweizweit 43 037 Unternehmen gegründet: 37,2 Prozent davon von Frauen und 53,3 Prozent von Männern. Die Zahlen zeigen, dass Frauen in der Unternehmensgründung weiterhin unterrepräsentiert sind. Wie alt in Zürich wohnhafte Frauen und Männer bei der Firmengründung sind, darüber gibt der Kanton auf seiner Website Aufschluss: Die Hälfte aller Gründerinnen und Gründer ist 32 bis 49 Jahre alt. Je ein Viertel ist älter oder jünger.
Der Schritt in die Selbstständigkeit erforderte von Steck viel Mut. Später an diesem Vormittag wird die Mutter der jungen Unternehmerin erzählen, dass sie ihre Tochter in deren Selbstständigkeit unterstütze und dass sie das Organisationstalent ihrer Tochter sehr bewundere. Auch, dass Linda Steck das Unternehmen ganz allein, «auf eigene Faust», gegründet habe.
Inspiration für die Stoffmuster findet Linda Steck im Botanischen Garten in Zürich. Dort, zwischen den Wegen und Pflanzen, findet sie, was sie für ihre Arbeit braucht: keine grossen Theorien, keine tiefschürfenden Erklärungen, sondern reine visuelle Eindrücke, die sich in ihren Zeichnungen wiederfinden. Es ist ein stiller Dialog, den Steck mit den Blumen und den Blättern führt, einer, der sich in den Farben ihrer Designs spiegelt.
Sport zum Ausgleich
Und dann ist da der Kontrast: Thaiboxen. Einmal die Woche raus aus der kreativen Stille, rein in die Bewegung, den Schweiss, die Körperlichkeit. Es scheint, als würde sie das Gleichgewicht hier finden – nicht nur körperlich, auch beruflich. Im Boxstudio hat Steck Kontakte geknüpft, die ihr beruflich weiterhelfen: jemanden für das Marketing, jemanden für die Website. Hilfe, die sie zu schätzen weiss.
Jetzt steht Linda Steck draussen im Garten vor dem Haus ihrer Eltern. Die Wiese ist nass, der Himmel bedeckt. Kein optimaler Sommer, um Sonnenschirme zu verkaufen. Trotzdem lief das Geschäft mit den Schirmen für Steck gut. Die Hoffnung auf einen sonnig-milden Herbst bleibt. Sie stellt sich mit einem ihrer Sonnenschirme, dem Modell Türkis 24, vor die weisse Hausfassade. Während die junge Herrlibergerin den Schirm in der Hand hält, lächelt sie in die Kamera. Entstehen bald andere Designs für die Sonnenschirme oder gar neue Produkte?
Ihr Blick weicht aus, Steck verrät nicht viel. Nur dass es weitergeht, dass sie ab Februar ein Masterstudium in Business und Marketing beginnt. «Ich möchte vom Design ins Unternehmertum», sagt sie bestimmt. Und während sie das Studium in Teilzeit plant, bleibt der «Blaue Pfau» in ihrem Leben – als ständiger Begleiter und Symbol ihrer kreativen Reise.