Die Küsnachterin Nina Fehr Düsel, die im letzten Herbst neu in den Nationalrat gewählt wurde, hat zwei grosse politische Botschaften: Sicherheit und Freiheit für die Menschen, Menschlichkeit und Respekt für die Tiere.
An einem sonnigen Nachmittag im späten März hat sich Hans Fehr in die Lektüre des «Zürcher Unterländers» vertieft, als ein dumpfer Knall den 77-jährigen Alt-Nationalrat aufschreckt. Auf dem Boden der Gartenterrasse liegt ein grosser, verletzter Vogel – benommen, reglos, nur ganz schwach noch geht die Atmung. Ein Sperber, erkennt Fehr, der Vogel ist wohl gegen die Scheibe geflogen.
Nach aussen hin war der SVP-Politiker für seine konsequente Ablehnung von allem Fremden berüchtigt. Aber in seinem privaten Umfeld wird der weiche Kern unter der harten Schale sichtbar. Fehr, der grosse Katzenfreund, duldet kein Tierleid.
Behutsam bettet er den Vogel in eine Schachtel und bringt ihn nach Berg am Irchel, in das Dorf, wo er aufgewachsen ist – und wo die Stiftung Paneco eine Raubvogel-Station unterhält. Dort kommen Hans Fehr und seine beiden Enkel regelmässig zu Besuch; sie helfen, den geflügelten Patienten aufzupäppeln, bis er sich erholt hat. Die drei juchzen vor Freude, als der genesene Sperber in die Freiheit fliegt.
Nina Fehr Düsel, die Tochter des Grossvaters und Mutter seiner Enkel, juchzt mit ihnen: Freiheit ist für die neue SVP-Nationalrätin sehr viel mehr als nur ein Wort. Und das gilt insbesondere auch fürs Tierwohl. «Die Liebe zu den Tieren», sagt sie, «hat in unserer Familie Tradition – genauso wie die Politik.»
Vor einem halben Jahr ist die langjährige Zürcher Kantonsrätin in den Nationalrat und alsbald in die Rechtskommission gewählt worden, wo sie rasch Nägel mit Köpfen machte.
Es sei das Gebot der Stunde, betonte sie vor Monatsfrist, dass jugendliche Straftäter in schweren Fällen härter angefasst werden müssen. Anfang März war im Zürcher Enge-Quartier ein erkennbar jüdisch-orthodoxer Mann auf offener Strasse mit einem Messer attackiert und schwer verletzt worden. Beim mutmasslichen Täter handelt es sich um einen 15 Jahre jungen bekennenden Anhänger der islamischen Terrororganisation Islamischer Staat.
Härtere Strafen statt Massnahmen
Es war ein Anschlag, der die Stadt erschütterte: Der Täter fast noch ein Kind, der Angriff kaltblütig und brutal – das ist neu für Zürich. Die Neoparlamentarierin erkannte das Gebot der Stunde: «Wir brauchen endlich härtere Gesetze und schärfere Strafen – und nicht nur Massnahmen, ganz besonders im Jugendstrafrecht», forderte die promovierte Juristin, und sie begründet ihren Vorstoss exakt entlang der Parteilinie: «Das Problem liegt auch in der ungebremsten Zuwanderung aus fremden Religionen und Kulturen», betont sie. «Es ist erwiesen, dass immer jüngere Täter in den sozialen Medien und auf gewaltverherrlichenden Plattformen rekrutiert und radikalisiert werden.»
Mit Charme und Dossierkenntnis gibt sich «die beliebte Frau Fehr Düsel» – so wurde sie mit verhaltener Ironie von der NZZ geschildert – gerne konziliant, bleibt in der Regel unbeugsam in der Sache und orientiert sich konsequent an der Doktrin ihrer Partei. Dabei lässt sie ein feines Gespür für die Stimmung im Volk erkennen, das etwa mit woken Themen wenig anzufangen weiss. «Texte mit Gendersternchen lese ich gar nicht», meint sie etwa und ruft zum Widerstand gegen «die Verhunzung unserer Sprache» auf. Die promovierte Juristin bekleidet beim Versicherungskonzern Swiss Life eine Kaderposition, als Parlamentarierin hat sie bislang noch keine Debatte und keine Abstimmung verpasst. Sie macht sich gerne über «Feministinnen und linke Frauen» lustig, «die viel fordern und eher wenig voranbringen» – und lebt gleich selbst vor, was sie unter Gleichberechtigung versteht, wenn sie mit ihrem Mann, dem Unternehmensberater Thomas Düsel, die Erziehungs- und Hausarbeit teilt. «Zum Glück», räumt sie dabei ein, «haben die Jungs auch noch wunderbare Grosseltern, die sich regelmässig um sie kümmern!»
Die beiden – das betont sie mit besonderem Stolz – seien zwar erst neun beziehungsweise sieben Jahre alt, «aber sie lassen jetzt schon deutliches Interesse an politischen Themen erkennen, wenn sie immer wieder alles Mögliche über unser demokratisches System wissen wollen».
Nina selbst war 13, nur unwesentlich älter als ihre Söhne heute, als sie ihren Einstieg in die praktische Politik wagte und zur rebellischen Tierschützerin wurde. Zusammen mit den Eglisauer Klassenkameraden hatte sie Delfine auf Transparente gemalt und war nach Zürich gefahren, um – unterstützt von der Meeresschutz-Organisation OceanCare, die damals noch «Arbeitsgruppe zum Schutz der Meeressäuger» hiess – lautstark gegen die Haltung von Delfinen zu protestieren und ein Importverbot für Kleinwale einzufordern. «Wir wollten klarstellen», erinnert sie sich, «dass Kids es gar nicht lustig finden, wenn Tiere ihrer Freiheit im Meer beraubt und in ein enges Betonbecken gesperrt werden, wo sie im Kreis herumschwimmen und Schlauchboote voller Geburtstagskinder hinter sich herziehen müssen.»
Nina Fehrs erste Politaktion hatte Folgen – für die Eglisauer Schulklasse ebenso wie für die bedauernswerten Kleinwale im Rapperswiler Kinderzoo und im Lipperswiler Connyland, die damals noch existierenden Schweizer Delfinarien. Die Kinder hatten eine Petition auf den Weg gebracht, die mit über 85 000 Unterschriften ein Importverbot für Delfine forderte. Nina und ihre Schulkameraden haben mit ihrem beherzten Engagement einen von der niederländischen Fluggesellschaft KLM ausgelobten Preis gewonnen. Eine Woche lang durften sie in Florida der Auswilderung von befreiten Delfinen beiwohnen.
In der Schweiz wurde der Walimport nach langwierigen Diskussionen doch noch verboten; es dauerte allerdings weitere fünf Jahre, bis im Lipperswiler Freizeitpark das letzte Delfinarium endgültig geschlossen wurde. «Der unermüdliche Einsatz von Nina Fehr und ihren Klassenkameraden hat dazu beigetragen, dass wir diese Petition zustande bringen konnten», freut sich Sigrid Lüber, die Gründerin und Präsidentin von OceanCare.
Tiertransporte besser regulieren
Das Tierwohl ist bis heute ein zentrales Anliegen der SVP-Politikerin geblieben. «Ein weites Feld», sagt sie. «Da gibt es noch viel zu tun, auf der rechtlichen Ebene wie auf der politischen Agenda. Auch auf den Weltmeeren.» Das haben in den letzten Wochen zwei sehr unterschiedliche Ereignisse deutlich gemacht. «Während wir den Transport von lebenden Tieren auf dem Landweg streng regulieren und kontrollieren», sagt die Juristin Fehr Düsel, «herrscht auf den Weltmeeren das reine Chaos.» Kürzlich erst sei in Kapstadt ein Frachtschiff aufgebracht worden, das auf dem Weg von Brasilien in den Irak seit zweieinhalb Wochen 19 000 Rinder geladen hatte, eng zusammengepfercht standen jene Tiere, die noch lebten, tief in den eigenen Exkrementen. «Das ist nur möglich, weil wir alle und besonders die Menschen in gewissen osteuropäischen Staaten das Fleisch möglichst frisch und billig auf dem Tisch haben wollen. Wochenlange Lebendtransporte müssen international verboten oder mit Zollbeschränkungen belegt werden.» «Politisch und juristisch höchst interessant, aber für uns natürlich bedeutungslos» findet Nina Fehr Düsel hingegen eine Meldung, die vor zwei Wochen auf der anderen Seite des Planeten für Aufsehen sorgte. Dort haben die Bewohner der Cook-Inseln, von Tahiti und Neuseeland alle Wale als «juristische Personen» anerkannt. Die indigenen Völker vermuten in den Riesen der Meere die Seelen ihrer Vorfahren.
Nina Fehr Düsel ist jung und dynamisch genug, um weitere politische Stricke zu zerreissen; sie wundert sich auch nicht, dass sie immer wieder mit der Frage nach dem nächsten Karriereschritt konfrontiert wird. «Die erste SVP-Frau im Bundesrat ist für mich kein Thema», lächelt sie dann. «Ich habe ja gerade erst im nationalen Parlament angefangen.» Aber ein Wechsel von der legislativen in die exekutive Verantwortung, gibt sie zu, könne sie durchaus später mal reizen. Da würde sie weiterhin die SVP-Politik vertreten, könne aber wohl eher auch auf Kompromisse eingehen.
Das sieht der Papa ganz ähnlich. «Nina hat sich schon immer hohe Ziele gesetzt», schmunzelt Hans Fehr. «Und bis anhin hat sie noch jedes erreicht.»