Oh là là! Pariser Flair in Erlenbach

Erstellt von Isabella Seemann |
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Mit «Juliette – pain d’amour» hat Stéphanie Borge die Zürcher Backbranche aufgemischt. Nun gibt es die original französischen Baguettes, Croissants und Mille-Feuilles auch an der Goldküste. Ein Besuch bei der frischgebackenen Unternehmerin in Erlenbach.

Das Leben erscheint einem rosarot, wenn man am späten Sonntagmorgen zur Boulangerie schlendert, um sich ein Croissant aux framboises zu holen, diese buttrig fluffige, mit Himbeerkonfitüre gefüllte Köstlichkeit. Dafür braucht man auch nicht nach Paris zu reisen. Ende ­August eröffnete an der Bahnhofstras­se 15 in Erlenbach, just neben der Mode- und Interieurboutique Emily’s Department Store, die Boulangerie & Pâtisserie «Juliette – pain d’amour». 

Das Interieur mit der königsblauen Theke verströmt französisches Flair. Der Blick gleitet über die Tartes Tatin in der Vitrine, die Eclairs und Napoleons Lieblingsdessert, die geschichteten Blätterteigkuchen Mille-Feuilles. «Bon, alors, je prends ...» Bistrotischchen drinnen und draussen laden zum sofortigen Genuss der Delikatessen. Es ist bereits die dritte Filiale, die die frischgebackene Unternehmerin Stéphanie Borge innert weniger Monate eröffnete. 

Den Nerv der Zeit getroffen

Seit Februar mischt Stéphanie Borge mit «Juliette – pain d’amour» die Backbranche Zürichs auf. Liebhaber von sündhaft guten Pains au chocolat stehen Schlange in ihren Läden am Vulkanplatz beim Bahnhof Altstetten und am Bleicherweg, zwischen Paradeplatz und Bahnhof Enge. Gewiss, an traditionellen Konditoreien, hippen Boutique Bakerys und coolen Cupcake-Factorys mangelt es nicht, aber eben doch an einer authentischen französischen Boulangerie-Pâtisserie.

Damit trifft die Unternehmerin den Nerv der Zeit. «Ich wundere mich selbst, dass noch niemand auf die Idee gekommen ist, dies anzubieten», sagt die gebürtige Pariserin, die in den siebzehn Jahren, in denen sie in der Schweiz lebt, selber stets unter dieser unstillbaren Sehnsucht nach echtem französischen Baguette litt.

40 000 Französinnen und Franzosen leben im Kanton Zürich, Expats und Schweizer haben auf ihren Frankreichreisen dieses Kulturgut kennen und lieben gelernt. French Bakerys, wie sie es in allen Metropolen der Welt gibt, müssten doch auch hierzulande laufen, sagte sich die studierte Betriebswirtschafterin.

Um Ideen umzusetzen, muss man manchmal ein bisschen mutig und verrückt sein. Stéphanie Borge, 49, ist da­rüber hinaus zielstrebig, in jeder Hinsicht kämpferisch und einfallsreich. Ihr Mann und ihr Teenie-Sohn unterstützten sie dabei, ihre Visionen in konkrete Ziele umzusetzen. Darauf kündigte sie ihre Stelle in der Geschäftsleitung der BMW (Schweiz) AG, wo sie für die Markenführung verantwortlich war, und gründete zusammen mit zwei Freunden das Backunternehmen. An Bord sind Nicolao Colombo, der ebenfalls bei BMW im Marketing tätig war, und Rolf Lüthy, der verantwortliche Positionen bei grossen Reiseveranstaltern innehatte. Branchenfremd alle drei, «haben wir unsere Jobs aufgegeben, um einen Traum zu leben, der auf Tradition und Handwerk setzt», sagt Stéphanie Borge. 

Zur Marktforschung stellten sie sich während einer Woche von früh bis Ladenschluss vor die beliebtesten Bäckereien der Stadt und zählten deren Kunden. Um eine Bäckerei erfolgreich zu führen, müsse man nicht selbst in der Backstube stehen, ist sie überzeugt. Es sei jedoch erforderlich, die Besten der Zunft für seine Idee zu gewinnen. Sie durchforstete die Gewinnerlisten der Berufsmeisterschaften und Lehrlingswettbewerbe in Frankreich, checkte die Instagram-Seiten nach den Kreationen von Jungbäckern und -patissiers und übertrug die Verantwortung der Boulangerie am Standort Bleicherweg schliesslich Émile Jeannenot, der 2018 zum besten Bäckerlehrling Frankreichs gekürt wurde und letztes Jahr an den Berufsmeisterschaften WorldSkills in Lyon die Bronzemedaille für Frankreich holte. Für seine handgemachten Baguettes, die bereits Kultstatus haben, lässt er sich das Mehl extra aus einer Mühle in Frankreich anliefern. «Es ist wie beim Wein», erklärt Stéphanie Borge. «Das Terroir, auf dem der Weizen wächst, hat einen Einfluss auf den Geschmack des Brots.» 

Chef-Patissier und -Chocolatier Julien Mallé, der sein Handwerk bei der französischen Gastronomie-Legende Yves Thuriès gelernt hat, ist verantwortlich für Tarte au citron und Co., die er in seinem Atelier in Altstetten herstellt – selbst­redend ebenfalls in Handarbeit. Beide Werkstätten beliefern die Filiale Erlenbach täglich mit frischer Ware. Und wer sich selbst in der Kreation von «Baguette, Croissant und mehr» oder in «süsse Versuchungen» versuchen möchte, kann Kurse bei Émile und Julien buchen. 

Während Stéphanie Borge für eine Marketingaktion die Taschen mit Brot und Feingebäck füllt, um sie gemeinsam mit der Verkäuferin auf einer Tour durch Erlenbach persönlich an Nachbarn und Passanten zu verteilen, bleibt noch die letzte Frage zu klären: Gibt es diese Juliette oder ist das eine Markenerfindung?

«Juliette ist meine Grossmutter, die leider jung verstarb», sagt Stéphanie Borge und läuft auf trendigen Turnschuhen los, um die Erlenbacher auf ihre Neueröffnung aufmerksam zu machen. «Sie liebte es, für ihre Familie zu kochen und zu backen.»

Juliette – pain d’amour, Boulangerie & Pâtisserie, Bahnhofstrasse 15, Erlenbach, Telefon 043 433 09 09, www.juliette-boulangerie.ch