Rehabilitieren und integrieren – das gilt jetzt noch viel mehr: Vor knapp einem Monat eröffnete die sozialtherapeutische Einrichtung Freihof Küsnacht ihren Laden wieder. Mit der Ergänzung, dass man neu beim Einkaufen den Klienten zuschauen kann, wie sie ihre Produkte anfertigen.
Ein Jahr ist es nun her, dass der Freihof in Küsnacht sein Ladenlokal «Freiraum» an der Oberen Dorfstrasse eröffnet hat. Eine neue Ladenwerkstatt gewährt seit November dieses Jahres den Besucherinnen und Besuchern sogar Einblick in die Herstellung der Produkte. «Auch wir in der reichen Gemeinde Küsnacht haben Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind», sagte Gemeinderätin Pia Guggenbühl (FDP) kürzlich bei ihrer Rede zur Eröffnung. Die sozialtherapeutische Institution Freihof spiele seit bald 45 Jahren eine wichtige Rolle für die Gemeinde. «Für die nächsten 45 Jahre wünsche ich der Einrichtung von Herzen das Beste und hoffe, dass auch der Laden ein wichtiger Bestandteil des Dorfes werden wird», so die Gemeinderätin weiter. Gerade in der Weihnachtszeit böten die Produkte eine schöne Möglichkeit, seinen Liebsten eine kleine Freude zu bereiten. Sie würden allesamt in Handarbeit von den Klientinnen und Klienten des Freihofs angefertigt.
Handarbeit vom Feinsten
Eine sucht- und sozialtherapeutische sowie arbeitsintegrative Einrichtung benötigt eine hohe Akzeptanz der Einwohnerinnen und Einwohner. Das weiss auch der Freihof Küsnacht. Ziel seines Ladens und der neuen Ladenwerkstatt ist deshalb, die Arbeit mit den Klientinnen und Klienten für die Bevölkerung besser greif- und begreifbar zu machen. Die Werkstatt bietet den Kunden Gelegenheit, zuzuschauen, wie die Produkte entstehen, und ihnen zu zeigen, wer hinter den gekauften Artikeln steckt. Den Klientinnen und Klienten wiederum bietet der Laden eine Tagesroutine. Der Kontakt mit der Kundschaft unterstützt ihre Reintegration, ist die Crew des Freihofs überzeugt.
Bleibt die Frage, ob die Arbeiten beim Einkaufen nicht stören. «Nein, in der Ladenwerkstatt werden nur staubfreie Arbeiten verrichtet», erläutert Beatrice Betschart, Leiterin Arbeitsagogik & Supported Employment beim Freihof. Was Staub oder Holzspäne erzeugt, wird in der grossen Werkstatt am Tobelweg gemacht – zum Beispiel Schreiner- oder Schleifarbeiten. In der Ladenwerkstatt hingegen geht es mehr um das Verpacken der Produkte und deren Aufbereitung für den Verkauf.
Zwei Klienten des Freihofs gewährten dieser Zeitung einen kleinen Einblick in ihr Leben und ihre Erfahrungen im Freihof und in der neuen Ladenwerkstatt im «Freiraum» Küsnacht.
Der «Freiraum» in Küsnacht ist dienstags bis freitags offen von 9 bis 12 Uhr und von 13.30 bis 17 Uhr, in der Adventszeit zusätzlich am Samstag, 9. Dezember, von 10 bis 16 Uhr.
Obere Dorfstrasse 33 / Ecke Werkstrasse, Küsnacht. Seit dieser Woche verkauft der Freihof seine Produkte zudem auch online: shop.freihof-kuesnacht.ch
Daniela und Markus erzählen aus ihrem Alltag
• Klientin Daniela* (Jhg. 1982)
Seit bald zwei Jahren lebt und arbeitet Daniela im Freihof. Zugewiesen wurde sie von der Justiz. Während dieser Zeit konnte sie in allen Arbeitsbereichen tätig sein. Und jetzt, seit knapp fünf Monaten, ist Daniela in der grossen Werkstatt am Tobelweg tätig. Also dort, wo die grösseren und «staubigeren» Arbeiten anfallen. Zur Neueröffnung der Werkstatt im Laden, dem «Freiraum» an der Oberen Dorfstrasse, sagt sie: «Mir gefällt es, wenn ich Abwechslung habe und zwischendurch auch mal aus der Werkstatt direkt zur Kundschaft komme.»
Am meisten Spass hat Daniela, wenn sie etwas verschönern kann oder wenn sie etwas Altem neuen Glanz verleihen kann. «Ich bin sehr sauber und ordentlich und mag daher Arbeiten nicht, bei denen ich schmutzig werde.» Das lasse sich aber nicht immer umgehen, fügt sie an. Die grösste Herausforderung für Daniela ist es, neue Arbeiten anzugehen. Die Klienten würden dabei selbstverständlich von den Arbeitsagogen unterstützt und angeleitet. Dennoch gehöre eine gesunde Portion Mut dazu, Aufgaben nachzugehen, welche einem fremd seien. Bis anhin wurden die Produkte nur für die Märkte – allen voran den Weihnachtsmarkt von Küsnacht – in Kisten verpackt. «Es ist schön, jetzt im Laden zu sehen, wie unsere Produkte präsentiert und verkauft werden», erzählt Daniela.
• Klient Markus* (Jhg. 1969)
Markus hat sich wegen der vielfältigen Arbeitsmöglichkeiten für den Freihof entschieden. Dort kann er mit verschiedenen Materialien und an verschiedenen Aufträgen arbeiten. Bevor der Klient zum Freihof kam, erkundigte er sich auch nach anderen Institutionen. «Mich überzeugte, dass die Arbeit hier vielfältig ist, und im Freihof wohne ich nun auch in der Nähe meiner Schwester.» Markus pflegt eine sehr gute Beziehung mit seiner Schwester, und sie ist im überaus wichtig.
Die Arbeit in der Institution macht Markus grundsätzlich Spass. «Ich arbeite gerne mit den Händen und könnte mir eine Arbeit im Büro nicht vorstellen. Nur das Fensterlädenschleifen gefällt mir überhaupt nicht. Es verursacht zu viel Staub.» Markus leidet unter der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD – vom englischen «chronic obstructive pulmonary disease»). Markus ist ein offener Mensch, der gut auf andere Personen zugehen kann. Bisher habe sich der Kontakt im Laden aber noch nicht so ergeben. Vielleicht, räumt er ein, brauche es aber einfach noch etwas Gewöhnungszeit an die neue Ladenwerkstatt.
* Namen der Redaktion bekannt