Kunst zwischen Bahnhof und See

Erstellt von Dennis Baumann |
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Das Relief «Kunst am Bau» am Bahnhof Goldbach soll wieder wie in alten Zeiten glänzen. Es ist durch seine spezielle Machart einzigartig in der Schweiz.

Kunst und Kultur haben in Küsnacht ­einen hohen Stellenwert. Selbst im Alltag merkt man das – etwa, wenn man am Bahnhof Goldbach die Unterführung nimmt und von bunten Figuren entlang der Wände begrüsst wird.

Das 1984 erschaffene Relief «Kunst am Bau» des Schweizer Bildhauers Werner ­Ignaz Jans (1941–2022) wurde damals vom Gemeinderat in Auftrag gegeben, ist direkt in die SBB-Unterführung integriert und damit ein Unikat. Doch nach 40 Jahren zeigt es Abnutzungsspuren. Deswegen hat sich die Gemeinde Küsnacht dazu entschieden, das Kunstwerk aufzuwerten.

«Es ist unsere Aufgabe, historisches Erbe zu bewahren. Es zollt dem Künstler und den Vorgängern in der Gemeinde Respekt», sagt Gemeindepräsident Markus Ernst (FDP).

Erste Abklärungen finden statt

Die Unterführung am Bahnhof Goldbach zeigt einige Verwitterungsspuren. Die Farbe an der Decke ist abgekratzt, Sprayereien bedecken Teile des Reliefs und Pflanzen erstrecken sich durch die Betonritzen. Der Gemeinde sind die optischen Makel schon länger aufgefallen und auf Initiative des Quartiervereins Goldbach kommt der Stein nun ins Rollen. 

Mithilfe einer Aufnahme der Bemusterungsfelder soll in einem ersten Schritt herausgefunden werden, wie die Unterführung am besten aufgewertet wird. «Die Intention des Künstlers muss bewahrt werden», sagt Rebecca Gericke, Kunsthistorikerin und Mitglied der Kulturkommission Küsnacht, die auch im Projekt involviert ist. Die Methode zur Aufwertung muss sorgfältig ausgewählt werden, damit Teile des Reliefs ohne Beschädigung freigelegt werden können. So wird ein externer Sachverständiger für Betonkunst beratend dem Projekt zur Seite ­stehen.

Die genauen Kosten sind deshalb zur- zeit auch erst in Ermittlung. Allerdings ist schon bekannt, dass ein Teil des Aufwertungsprojekts von Bewohnerinnen und Bewohnern des Küsnachter Goldbach-Quartiers gesponsert wird. Und auch die SBB-Denkmalpflege bringt sich aktiv mit ein.

Beton freundlich machen

Entstanden ist das Werk im Zuge der Betonmüdigkeit nach den Siebzigerjahren. Beton war damals der Baustoff schlechthin, doch wirkte er auf die Menschen zunehmend trist und löste sogar Ängste aus.

Werner Iganz Jans’ «Kunst am Bau» mit seinen bunten Relieffiguren war eine Antwort darauf, den Beton freundlicher zu gestalten. «Die sogenannte Humanisierung des Betons war die damalige Idee und sie ist weiterhin aktuell», sagt Kunsthistorikerin Rebecca Gericke.

Das Aufwertungsprojekt soll diesen Zweck wieder aufleben lassen. Zudem gelte es, dem Künstler und seinem Werk gerecht zu werden. Immerhin handle es sich um ein Einzelstück, das es so nirgends gibt. Das Werk macht seinem Namen alle Ehre: «Im Gegensatz zu Bildern oder Skulpturen kann diese Arbeit nicht eigenständig existieren. Es ist direkt mit der Unterführung und dem Quartier verschmolzen», sagt Gericke.

Sisyphus begleitet Pendler

Von Anfang an hat Jans sein Werk in die Infrastruktur der Unterführung mitgedacht. Fahrbahn, Perronzugänge und Relief ergänzen einander, statt sich im Weg zu stehen. Das beeindruckt auch Markus Ernst: «Alltag und Kunst verschwimmen hier. Das ist sehr speziell.»

Aber nicht nur die Integration in die Bausubstanz macht das Werk einmalig, sondern auch die Wahl der Motive. «Obwohl die Figuren abstrahiert sind, sind sie sehr expressiv und stellen Situationen aus dem Pendleralltag dar», sagt Gericke.

So zeigt das Relief Menschen auf ihrem Weg zur Arbeit und wieder zurück. Dabei kommt auch die mythologische Figur Sisyphus vor, der gemäss der Sage von den Göttern dazu verdammt wurde, einen Stein hochzurollen. «Hier wird der tägliche Balanceakt der Pendler symbolisiert», ordnet die Kunsthistorikerin ein.

Ein wichtiges Motiv für den Künstler Jans waren Tiere. Vor allem Hunde faszinierten ihn. Das Verhältnis zwischen dem Mensch und seinem Begleiter bildete er mehrfach ab. Läuft man einige Meter ins Quartier, wird auch die Beziehung zum Zürichsee behandelt. Das Schwimmen als weitere Alltagssituation vollendet die Geschichten, die das Kunstwerk erzählt.

Ziel ist es nun, mit der Bestandesaufnahme möglichst schnell voranzukommen. Noch in diesem Jahr sollen die ­Aufwertungsarbeiten beginnen. Der Zeithorizont bis zur Fertigstellung ist noch offen, aber sicher ist: «Wir werden das Kunstwerk mit einer Neueinweihung zelebrieren», sagt Markus Ernst.