«KI-Schiffe» noch in weiter Ferne

Erstellt von Pascal Turin |
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Die Kantonsräte wollen vom Regierungsrat wissen, wie er die Chancen für selbstfahrende Schiffe respektive teilautonome Schiffe auf dem Zürichsee einschätzt. Doch Zürichsee-Schifffahrt und Fährbetrieb winken ab.

Pia Meier

Die Regierung des Kantons Zürich hat sich bereits mit autonom agierenden Systemen im Strassenverkehr als auch in der Luft beschäftigt. Für 2025 plant der Kanton im Furttal im Rahmen eines Pilotprojektes, autonome, führerlose Autos und Rufbusse zu testen. «Da liegt es auf der Hand, auch das Potenzial von selbstfahrenden Schiffen auf dem Zürichsee auszuloten», halten die drei Kantonsräte Ga­briel Mäder (GLP), Tobias Mani (EVP) und Jonas Erni (SP) in ihrer Anfrage an den Regierungsrat fest. Die «Zürichsee-Zeitung» berichtete zuerst darüber.

Zugelassen sind Verkehrsschiffe mit «Kapitän KI» – KI ist die Abkürzung für künstliche Intelligenz – in der Schweiz bisher nicht. Zumindest die Frage der drei Kantonsräte, ob die Regierung bereit wäre, entsprechende Initiativen der Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft zu unterstützen, erübrigt sich. Denn es gibt keine solchen Initiativen.

Priorität liegt auf Elektrifizierung

«Wir stehen neuen technologischen Entwicklungen grundsätzlich positiv gegenüber. Dennoch sind selbstfahrende/automatisierte Schiffe derzeit für uns kein Thema», teilt die Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft – kurz ZSG – auf Anfrage mit. «Unsere Priorität liegt auf der weiteren Elektrifizierung/Dekarbonisierung unserer Flotte.» Die Situation bei Schiffen sei anders als bei Autos. «Die Thematik von selbstfahrenden Schiffen hat erst kürzlich Fahrt aufgenommen. Daher liegt der Wissensstand zu diesem Thema noch in der Entwicklung», so die ZSG.

Ebenfalls aktuell kein Thema sind automatisierte Schiffe, das heisst Schiffe, die nur durch die Technik über den See fahren und an- beziehungsweise ablegen, für den Fährbetrieb zwischen Horgen und Meilen. «Wir sind ein kleines Unternehmen und können ein solches Projekt nicht selber stemmen. Soweit wir wissen, ist dies auch kein Thema bei den anderen Schiffsbetrieben in der Schweiz», teilt die Zürichsee-Fähre Horgen–Meilen AG mit. Dazu sei zu beachten, dass neben den technischen Herausforderungen auch die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden müssten. «Im Vergleich zu den Zügen, wo sich der Zug bereits auf einer definierten Fahrbahn bewegt, sind erst Pilotversuche am Laufen», merkt die Fähre Horgen–Meilen an. 

Bei Politikern nachgefragt

Der Herrliberger SVP-Kantonsrat Domenik Ledergerber will keine staatliche Förderung von KI-gesteuerten Schiffen. Er teilt mit: «Ob das Potenzial für automatisierte Schifffahrt auf dem Zürichsee besteht, sollte meiner Meinung nach der Markt regeln. Falls es einen privaten Anbieter gibt, der meint, mit automatisierter Schifffahrt auf dem Zürichsee einen ökonomischen Nutzen erzielen zu können, und dieses Angebot dann auch wirklich auf eine Nachfrage trifft, ist dies Potenzial genug.» Er sieht keinen Handlungsbedarf – «bestimmt nicht von staatlicher Seite». Technisch sei er zu unwissend, um beurteilen zu können, wo die automatisierte Schifffahrt aktuell stehe. Ledergerber: «Sicherheitsbedenken müssten sicherlich im Vorfeld ausgeräumt sein, wie dies auch bei automatisierten Autos geschieht.»

Für die Meilemer FDP-Kantonsrätin Sarah Fuchs ist klar: «Automatisierte oder teilautonome Schiffe könnten ein vielversprechendes Potenzial für den Zürichsee bieten, denn sie könnten zur Effizienzsteigerung beitragen, indem sie Fahrpläne optimieren, Treibstoffverbrauch reduzieren und die Sicherheit erhöhen. Zudem könnten sie langfristig helfen, den Fachkräftemangel in der Schifffahrt auszugleichen und neue Mobilitätskonzepte zu ermöglichen.» Sie ist überzeugt, dass im Bereich der rechtlichen und in­frastrukturellen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf besteht.

Fuchs: «Pilotprojekte sind eine Option, sofern die Technologie reif genug ist, um sie unter realen Bedingungen zu testen und ihre Auswirkungen auf den Betrieb und die Sicherheit zu evaluieren. Auch die Akzeptanz der Bevölkerung und der betroffenen Akteure sollte durch transparente Kommunikation und Einbindung in den Prozess gefördert werden.»

Die Politikerin sieht aber auch Probleme: «Die Herausforderungen liegen insbesondere in der Integration automatisierter oder teilautonomer Schiffe in den bestehenden Verkehr auf dem Zürichsee.» Die Schiffe würden in einer komplexen Umgebung mit Freizeitnutzung und Berufsschifffahrt navigieren. Eine Testphase und schrittweise Einführung seien daher essenziell.

Aktuell gibt es genug Schiffsführer

Immer wieder wird Fachkräftemangel als Argument für selbstfahrende Schiffe angeführt. Dieser hat zu Einschränkungen im Schiffsverkehr geführt, weil der Fahrplan 2024 reduziert werden musste. Und teilautonome Schiffe könnten die Situation verbessern.

Aber auch davon wollen die Betriebe nichts wissen – der Fachkräftemangel auf dem See scheint im Moment kein akutes Problem mehr zu sein. «Wir finden aktuell genügend Fachleute, die den Fährbetrieb sicherstellen», so die Fähre Horgen–Meilen. Und die ZSG betont: «Die Ausbildungsinitiative hat Früchte getragen. Wir konnten letztes Jahr 20 neue Schiffsführerinnen und Schiffsführer aus- und weiterbilden.»