Exquisiter Kaffee, nachhaltiger Anbau, faire Löhne: Der innovative Küsnachter Unternehmer Thomas Schwegler (47) und seine Frau Gisella (36) bauen Kaffee in Peru an, der in der Schweiz verkauft wird. Dabei müssen sie sich extremen Herausforderungen stellen.
Ein wagemutiger Pionier im Auftrag des nachhaltigen Gourmetkaffees: Diesen Eindruck hinterlässt Thomas Schwegler, ein 47-jähriger Küsnachter Kaffeeproduzent, beim Kaffeeplausch im Seehotel Sonne. Im Sommer bietet das Hotel auf der Terrasse seinen Kaffee an: «Tropical Mountains» steht gross und golden über der Kaffeebar – und «Respect makes better tasting coffee».
Gerade erst ist er aus Peru zurückgekommen. Für die junge Familie Schwegler ist das Leben ein Hochseilakt zwischen den Anden und den Alpen. Während seine Ehefrau Gisella Iriarte-Schwegler mit ihrem gemeinsamen Sohn Keylan in Peru geblieben ist und die Kaffeefarm führt, wird Thomas Schwegler in den kommenden Wochen ihr Unternehmen mit Hauptsitz in Zug weiterentwickeln und neue Kunden in der Schweiz akquirieren. In Bioläden wie auch in grossen Coop- und Migros-Filialen und über den Onlineshop ist der Kaffee in Bohnen, gemahlen, in komplett plastik- und alufreien Kapseln sowie – ganz neu –in kompostierbaren Pads nach E.S.E.-Standard, die speziell für Espressomaschinen mit Siebträgern entwickelt wurden, erhältlich.
«Das Interesse ist gross»
Gerade bei Hotelketten, internationalen Konzernen und staatlichen Verwaltungen, die Programme zur Nachhaltigkeit durchführen, sei das Interesse gross. «Plötzlich sitzen wir auch bei grossen Unternehmen am Verhandlungstisch», erzählt Schwegler erfreut. «Überall hatte ich das Gefühl, dass man auf eine Alternative gewartet hat.» Dass ein Teil des Kaffees von Bio-Kaffeebauern stammt, zu denen er persönlich Kontakt pflegt, ist ein zusätzliches Verkaufsargument.
Gewiss, Schwegler ist ein Verhandlungs- und Verkaufstalent. Aber nicht nur deswegen gerät zwangsläufig in seinen Bann, wer ihn reden hört. Er sprüht auch vor Hingabe, Passion und Liebe für sein Produkt und alles, was damit zusammenhängt. Dabei ist die Liebe noch recht jung. Thomas Schwegler ist ein echter Spätzünder in Sachen Kaffeegenuss. Das schwarze Gebräu schmeckte ihm schlicht nicht. Erst mit 30 entdeckte er die Kaffeekultur für sich – in Bolivien. Dahin führte ihn sein Gerechtigkeitssinn.
Der Spross einer Psychologenfamilie studierte Betriebsökonomie und beschäftigte sich intensiv mit der Thematik, wie fairer Handel den Welthandel gerechter gestalten könnte. Er reiste nach Südamerika und engagierte sich für eine bolivianische «Cooperativa» mit 300 Familien, um mit seinen betriebswirtschaftlichen Problemlösungskompetenzen deren ins Stocken geratenes Kaffeegeschäft wieder anzukurbeln. Die Verkostung von Kaffee gehörte nun zum Beruf. Aber nicht nur: Er lernte auch vieles über den Kaffeeanbau und packte selber mit an.
Berufliches und privates Glück
Als der erste Container nach Kanada verschifft wurde, merkte er: Einen Betrieb zum Erfolg zu führen, macht ja Spass! Im peruanischen Lima, wo mit all den Kleinproduzenten noch viel Aufbauarbeit möglich war, eröffnete Schwegler sein eigenes Büro und machte sich als Kaffeehändler selbstständig. Zum beruflichen Erfolg gesellte sich das private Glück: Er lernte Gisella Iriarte kennen, damals in der Modebranche tätig, heute seine Ehefrau und Geschäftspartnerin. Ihre Idee war es auch, in Peru Land zu kaufen und eigenen Kaffee zu produzieren, um mehr Kontrolle über die Qualität und die Preise zu haben.
Ihm widerstrebte allerdings der Gedanke, «weil es in der Wertschöpfungskette keinen Sinn hat, einen Schritt rückwärts zu gehen». Doch: «Wir waren abenteuerlustig, optimistisch – und auch naiv», sagt er in seiner offenen und ehrlichen Art.
Mit Erspartem und einem Kredit kauften sie 2012 ganze 72 Hektaren Wald in der Kaffeeanbauregion Chanchamayo, zwölf Autostunden nordöstlich der Hauptstadt entfernt. In dieser klimatischen Toplage, zwischen 1300 und 1800 Meter über Meer, leisteten sie Pionierarbeit, bauten von null eine Infrastruktur für die Kaffeefarm auf, legten Wege und Wasserleitungen und pflanzten inmitten von Schattenbäumen ihre ersten Kaffeesträucher an, darunter auch die edelste Sorte der Welt, den Geisha-Kaffee, auch Champagner des Kaffees genannt. Mittlerweile blickt Schwegler auf zehn Jahre der permanenten Herausforderung zurück. «Ein Kaffeepilz zerstörte uns einmal fast die komplette Ernte», erzählt er. Ein andermal entdeckten Zollfahnder ausgerechnet in jenem Containerschiff, in dem Schweglers Kaffee nach Europa transportiert wurde, Tonnen von Kokain – worauf alle Waren wochenlang im Hafen blockiert waren.
Es sind aber auch zehn Jahre unendlicher Freude. «Ich kann von A bis Z etwas nach meinen Werten gestalten. Das heisst: möglichst gerecht, möglichst fair», sagt Thomas Schwegler. Er sieht sich nicht als Entwicklungshelfer, sondern als sozialer Unternehmer, der Arbeitsplätze schafft und den Gewinn auch in die Gemeinschaft reinvestiert. Das Ehepaar Schwegler gründete einen Verein für peruanische Bildungsprojekte, unterstützt den Aufbau einer Schule für die Kinder der Kaffeebauern und setzt sich für die Rechte von Frauen in der Kaffeeproduktion ein. «Wir glauben wirklich, dass Respekt einen besser schmeckenden Kaffee erzeugt.»
Augenmerk auf Nachhaltigkeit
Damit trifft er den Nerv des Zeitgeistes: «Third Wave» heisst die revolutionäre Bewegung von Kaffeeliebhabern, die sich intensiv, ähnlich wie Wein-, Schokolade- oder Zigarrenaficionados, mit dem Produkt, dem Terroir, seiner Geschmacks- und Sortenvielfalt beschäftigen und besonderes Augenmerk legen auf Nachhaltigkeit, qualitativ hochwertige «Single-Origin», also sortenreine Kaffees von einer Farm, und die Rückverfolgbarkeit von der Tasse bis zum Kaffeestrauch. Also beispielsweise bis zur Finca des Küsnachters Thomas Schwegler, der von sich sagt: «Wenn ich von dieser Welt gehe, möchte ich sagen können, dass ich sie im ganz kleinen Rahmen positiv verändern konnte.»