«Im Herzen bin ich grün»

Erstellt von Isabella Seemann |
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Intensives Wahljahr, erstmals Vater geworden und einen Hof bewirtschaften: Schafft der neue Präsident der SVP Kanton Zürich, Domenik Ledergerber, das alles? Der «Küsnachter» hat den 34-jährigen Herrliberger auf dem Schlattgut besucht.

Pünktlich zum Treffen auf dem Schlattgut, zuoberst in Herrliberg, reissen die Gewitterwolken auf, Sonnenstrahlen brechen durch und lassen diesen Flecken Erde in goldenes Licht tauchen. Unten schimmert silbern der Zürichsee, rundherum leuchten die prallen Hügel und Berge, die Kälbchen auf der sattgrünen Wiese springen übermütig herum. Inmitten der Postkartenidylle: Domenik Ledergerber. «Das ist meine Heimat», sagt er – aber ganz ohne Pathos, dafür ist er viel zu bodenständig. «Dieser Ort verkörpert für mich die Schönheit unseres Landes und all das, für dessen Erhalt ich mich politisch einsetze und dem ich Sorge trage.»

Der 34-jährige Landwirt vertritt seit 2018 die SVP im Kantonsrat, Mitte August wurde er zum Präsidenten der SVP des Kantons Zürich gewählt. Wer Kantonalpräsident wird, kann es hoch hinaus schaffen. Das beweisen keine Geringeren als Christoph Blocher, der nur einen Katzensprung vom Schlattgut entfernt wohnt, und Ueli Maurer, die beide quasi direkt aus diesem Präsidentensessel in den Bundesrat gewählt wurden. Das Parteipräsidium ist aber auch eine Herkulesaufgabe, eine, die man erst noch für Gottes Lohn versieht. Ein intensives Wahlkampfjahr steht ihm bevor: Im Februar wählt der Kanton Zürich eine neue Regierung und ein neues Parlament, und im Oktober 2023 stehen die Schweizer Parlamentswahlen an. 

«Es geht nur im Team»

«Dieses Amt ist die grösste Herausforderung meines bisherigen Lebens», sagt Domenik Ledergerber – dabei bestieg er letzthin das Matterhorn, was auch nicht ohne ist. Da kommt aber noch mehr: Vor wenigen Wochen wurde er erstmals Vater, der Betrieb brummt, und das Kantonsratsmandat ist, seriös ausgeübt, ein 40-Prozent-Job. Kann er alle Bälle aufs Mal in der Luft halten? «Das geht nur im Team mit meiner Frau und mit meiner Familie auf dem Hof», sagt Domenik Ledergerber mit entwaffnender Ehrlichkeit. «Zusammen sind wir zum Schluss gelangt, dass wir die Aufgabe gemeinsam stemmen können. Dabei werden wir fortlaufend lernen.»

Eine Schule des Lebens war ihm der Fussball. Dieser vermochte auch die sozioökonomischen Unterschiede zu überwinden, die in einem Dorf wie Herrliberg zu Barrieren werden können. Während seine Mitschüler in der Primarschule im Herrliberger Weiler Wetzwil noch eher ländlich geprägt waren, liessen ihn die Mitschüler der Oberstufe im Schulhaus Breiti zuweilen spüren, dass ihre Eltern einer anderen Einkommensklasse angehörten als seine. «Als Bauernbub wurde man da auch mal gehänselt», sagt er – ohne es nachzutragen. Dafür konnte er Erlebnisse bieten, die unbezahlbar sind: «Wer konnte seine Mitschüler schon zur Geburt eines Kälbchens einladen?» 

Als Einziger absolvierte er nach der obligatorischen Schulzeit eine Lehre, die Lehre als Landwirt, während die meisten ans Gymnasium wechselten, absolvierte die Berufsmittelschule und bildete sich an der Fachhochschule zum Ingenieuragronomen aus. Seine grosse Leidenschaft galt in all diesen Jahren dem Fussballclub FC Herrliberg, er war Captain der 1. Mannschaft, heute «tschuttet» er noch bei den Senioren. «Bis vor kurzem habe ich mehr Herzblut in den Fussballclub gesteckt als in die Politik. Das kehrt jetzt.» Als Vereinskind habe er gelernt, dass alle einen Beitrag leisten müssen, damit es alle gut haben. «Das gilt für mich im übertragenen Sinn auch für die Schweiz», erklärt er seine Motivation für sein politisches Engagement. Man könne nicht nur konsumieren und von der Arbeit der anderen profitieren.

Politisiert im Elternhaus

Politisiert haben ihn die Gespräche am Mittagstisch im Elternhaus über die Landwirtschaftspolitik – Milchkontingentierung, Liberalisierung, Preiszerfall, Bauern in Not. Der Vater und der Grossvater waren schon Bauern in Herrliberg und Mitglied der SVP. Eine linke Jugendphase hatte Domenik Ledergerber nie, aber ein Hauch von Revolution lag in der Luft, als im Oktober 1996 rund 15 000 Bauern nach Bern zogen, darunter sein Vater, um ihrer Verzweiflung Luft zu machen – und einer Staatsmacht in Vollmontur gegenüberstanden. Es folgte eine zweistündige Strassenschlacht. «Mein Vater kam mit Tränengas in den Augen nach Hause, das war für mich ein prägendes Erlebnis.»

Mit 18 trat Ledergerber in die örtliche SVP-Sektion ein, «weil sie meine Werte und meine Interessen als Landwirt vertritt», nach der Abwahl Blochers 2007 – ein weiteres prägendes Erlebnis – rückte er in den Vorstand und engagierte sich in der Dorfpolitik. Im Herbst 2018 rutschte er in den Kantonsrat nach und wurde im Frühling 2019 gewählt. Dort sind sein primäres Wirkungsfeld als Mitglied der Kommission für Planung und Bau die Raumplanung, der Naturschutz, kantonale Bauprojekte im Hochbau und im Strassenbau sowie am Rande die Landwirtschaft. Auch beim Politisieren greife er auf die Lehren aus dem Fussball zurück: Respekt, Fairness und sich nach dem Kampf die Hand geben. Er sei kein «Polteri», sondern ein Macher, einer, der anpackt und mit Herzblut bei der Sache ist, beschreibt er seinen Politstil.

Junge für die Politik motivieren

Bei jungen Leuten das Interesse für Politik zu wecken, ist ihm ebenfalls ein Herzensanliegen. «Ich diskutiere viel und versuche, sie dazu zu motivieren, abstimmen und wählen zu gehen – unabhängig von ihrer Meinung.» Viele Anliegen der Klima-Aktivisten fände er berechtigt – aber deren «extreme und unrealistische Forderungen» teile er nicht. Es tue ihm weh, dass viele Leute ein grosses Unverständnis gegenüber der Landwirtschaft hätten. Ein guter Bauer trage seinen Tieren und seinem Boden Sorge, sonst könne sein Betrieb gar nicht überleben. «Im Herzen bin ich grün», sagt Domenik Ledergerber. Was er nicht wolle, sei die Klimapolitik der Linken, die zu mehr Verboten, Bürokratie und Kosten führe. Klimaschutz funktioniere nur, wenn jeder bei sich anfange, sagt er. «Auf unserem Bauernhof versuchen wir mit gutem Beispiel voranzugehen.»

Das Verständnis für die Landwirtschaft zu fördern, sei seine und seines Bruders Andrin Mission, weshalb sie das Schlattgut bewusst offen hielten, sagt Domenik Ledergerber und wird auf dem Rundgang durch den Hof vom Iahen der beiden Esel übertönt. Das Betriebsschild am Eingang weist in Anlehnung an «Die Bremer Stadtmusikanten» eine Tierpyramide mit einer Kuh, einem Esel, einem Hund und einem Hahn auf – allesamt Tiere, die auf dem Hof leben und über deren Wohlergehen sich jeder selber ein Bild machen kann.

Hof als Event-Location

Seit drei Jahren führen Domenik Ledergerber und sein Bruder Andrin das Schlattgut zusammen, das im Besitz der Erben der Industriellenfamilie Bührle ist und zur Kollektion «Living Circle» gehört wie das benachbarte Restaurant Buech oder die Zürcher Luxushotels Storchen und Widder, die wiederum mit den Produkten des Schlattguts beliefert werden. Da der Verkauf der Milch der rund 40 Milchkühe und der Eier der 900 Legehennen, die Produktion von Alpkäse und Glacen sowie der Hofladen nicht ausreichten, um zwei Familien zu ernähren, entstand die Idee, auf dem Hof eine rustikal-romantische Event-Location für Hochzeiten, Jubiläen und ­Firmenanlässe zu errichten, die nun von Domenik Ledergerber und seiner Ehefrau, der Marketingspezialistin Caroline Ledergerber, geführt wird.

So lässt sich Ledergerbers Fussballphilosophie auf alle seine Lebensbereiche übertragen: Erfolg ist nur im Team möglich.