Am 24. September 1922 feierten 30 000 Menschen die Errichtung des Mahnmals an die verstorbenen Zürcher Wehrmänner. Jetzt ist die Küsnachter Bevölkerung zu einer Erinnerungsfeier eingeladen. Sie findet am selben Tag statt, einfach 100 Jahre später.
Die wenigsten Wanderer und Sportler dürften heute mit dem Forchdenkmal noch einen konkreten Inhalt verbinden. Das war einstmals ganz anders, strömten doch an einem Septembersonntag des Jahres 1922 unerwartet grosse Heerscharen von Besuchern auf die Forch. Weder der Bundespräsident noch der Zürcher Regierungspräsident fehlten, die in ernsten, markigen Worten an die Hunderten von Zürcher Wehrmännern erinnerten, die 1914 bis 1919 gestorben sind – ein Grossteil an der verheerenden Spanischen Grippe, einer Pandemie, die ab Sommer 1918 weltweit wütete.
Die Redner vergassen aber auch nicht, ihrer Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen, dass die Schweiz dank ihrer Neutralität, einer wirksamen Grenzbesetzung und vor allem durch ein gnädiges Geschick nicht in die Verheerungen des Ersten Weltkriegs hineingezogen worden ist. Tausende von Soldaten umrahmten damals auf der Forch die 18 Meter hohe «Opferflamme», ja sogar die junge Flugwaffe zeigte dem staunenden Publikum ihre Künste.
Mächtig auflodernde Opferflamme
Vorangegangen war dieser Feier eine Anregung der Unteroffiziersgesellschaft der Stadt Zürich, ein Denk- und Mahnmal für die verstorbenen Kameraden zu errichten. Rasch fand sich Unterstützung in den bürgerlichen Parteien, während die armeekritische Linke am Anfang noch abseitsstand. Überhaupt galt es für die Armeebefürworter nach dem nicht nur beliebten Grenzdienst mit viel eintönigem Drill und ungenügender Absicherung der Angehörigen, die Motivation für die Landesverteidigung wieder zu beleben. Ein «Ehrenkomitee» von Politikern und hohen Offizieren sammelte Geld bei der Bevölkerung. Besonders populär machte die Denkmalsidee der damals viel gelesene Heimatdichter Meinrad Lienert, der ein begeistert-besinnliches Gedicht beisteuerte.
In einem Wettbewerb holte sich der Architekt Otto Zollinger (1886–1970) unter 95 eingereichten Projekten den ersten Preis. Seine mächtige «Opferflamme» war insofern neu, als beispielsweise das «Grab des unbekannten Soldaten» mit dauernd brennender Flamme unter dem Arc de Triomphe erst im November 1923 errichtet wurde. Das Preisgericht meinte zum ausgewählten Projekt: «In diesem Entwurf ist die Idee des Denkmals in überzeugend schöner Weise zum Ausdruck gebracht. Die Bergkuppe wird in der Wirkung durch das Mal verstärkt, und es klingt in dieser gleichsam aus. Durch den pyramidenartigen Aufbau mit der hochgehenden Flamme wurde eine charakteristische Gestaltung des Denkmals erfunden, in welcher Monumentalität, Ernst und Würde in lebendig zündender Weise verkörpert sind.»
«Prächtiger Ausblick»
Von Anfang an stand fest, dass das Wehrmännerdenkmal nicht in einem Stadtquartier, sondern in der Zürcher Landschaft stehen sollte. Die Örtlichkeit musste verkehrsmässig gut erschlossen, aber kein «Rummelplatz» für Ausflügler sein – ein Grund, weshalb beispielsweise der Pfannenstiel ausschied. Die Gemeinde Küsnacht war bei weitem nicht die einzige, die sich als Standort empfahl. Sie stand nämlich in Konkurrenz zu Brütten, Illnau, Kyburg, Regensberg, Russikon, Höngg, Egg und Pfäffikon. Die Forch als Standort vorgeschlagen hat der Präsident der Forchbahn.
Kantonsbaumeister Hermann Fietz hielt als Präsident des Preisgerichts dazu fest: «Der Platz liegt westlich der Forch am Abhang des Wassberges auf einer Höhe von 720 Metern, ca. zehn Minuten oberhalb der Station Forch, und bietet einen prächtigen Ausblick auf die Landschaft und die Berge, dazu noch den See. Der Vorteil sind die Nähe der Stadt, der Seebezirke, des Oberlandes, die gute Zufahrt mit der Bahn von allen Seiten, die Möglichkeit, mit Rekrutenschulen usw. die historische Stätte zu besuchen. Sehr günstig ist das bereits vorhandene Plateau mit schönem Hintergrund für die Aufstellung des Denkmals. Von dem an Sonntagen etwas grossen Betrieb auf der Forch werden für das Denkmal keine Nachteile befürchtet.»
Architekt Otto Zollinger, der in bescheidenen unehelichen Verhältnissen in Fällanden aufwuchs, konnte nie eine eigentliche Ausbildung durchlaufen. Ihm wurde dennoch auch die praktische Herstellung seines Denkmals in vergoldetem Kupfer auf einer Steinpyramide anvertraut, die unter anderem die bekannte Firma Hatt-Haller ausführte. Am 10. April 1922 wurde mit den Bauarbeiten begonnen und im Juni die Inschrift auf dem obersten Sockel festgelegt: «Dieses Denkmal baute das Zürcher Volk als Sinnbild der Opfer, die der Weltkrieg 1914 bis 1918 zu des Vaterlandes Schutz forderte.» Anfang September konnten die Bauarbeiten termingerecht beendet werden, und zwar zu den erheblichen Baukosten von 110 135 Franken – eine Summe, die man heute wohl mit dem Faktor zwölf multiplizieren müsste.
Seither bildete das Forchdenkmal immer wieder eine denkwürdige Kulisse für Manifestationen des Wehrwesens und der Politik, aber auch als Ausflugsziel von Familien und Station zahlreicher Sportanlässe. Regelmässig begeht hier die Gemeinde Küsnacht in feierlichem Rahmen am 1. August den schweizerischen Nationalfeiertag.
Der Kantonale Unteroffiziersverband Zürich und Schaffhausen führt am Samstag, 24. September, um 14 Uhr eine Gedenkfeier am Forchdenkmal durch. Nach Grussworten von Gemeindepräsident und Brigadier Markus Ernst (FDP) sprechen Regierungspräsident Ernst Stocker (SVP) und Regierungsrat Mario Fehr (parteilos). Beim eigentlichen Gedenkakt richtet Samuel E. Schmid, Chef Armeeseelsorge, besinnliche Worte an die Anwesenden. Der Anlass wird abgeschlossen durch Divisionär Rolf Siegenthaler, bevor das Schützenspiel UOG Zürich ein Platzkonzert gibt. Alle Teilnehmer werden gratis mit Wurst, Brot und Getränken versorgt.
Die Küsnachterinnen und Küsnachter sind zur Teilnahme am 100-Jahr-Jubiläum «ihres» Denkmals besonders herzlich eingeladen. Zumal die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Gemeinde Küsnacht schon 1922 beschlossen hatten, sich grosszügig an der Finanzierung dieser Gedenkstätte eigens zu beteiligen.