Am 19. November entscheiden die stimmberechtigten Erlenbacherinnen und Erlenbacher über den Gestaltungsplan Bahnhofstrasse. Dieser sorgte bereits an der Gemeindeversammlung im Sommer für hitzige Diskussionen. Umstritten ist vor allem das geplante massive Gebäude der SBB beim Bahnhof.
Der öffentliche Gestaltungsplan der Bahnhofstrasse in Erlenbach sieht gemäss SBB eine nachhaltige Weiterentwicklungvor; daneben eine hohe Gestaltungsqualität bei baulicher Verdichtung mit Rücksichtnahme auf schutzwürdige Einzelobjekte sowie auf die Kernzone Dorf. «Ein Drittel der geplanten rund 35 Wohnungen sind preisgünstig und im Erdgeschoss gibt es Läden, Kleingewerbe und Gastronomie», so die SBB. Die Gebäude würden nach den Vorgaben der Nachhaltigkeitsstandards SNBS Gold und Minergie P-Eco erstellt, die Dächer naturnah begrünt und auf dem Bahnhofplatz neue Aussenräume mit Grünflächen und Bäumen geschaffen.
Dadurch würden Hitzeinseln reduziert, das Mikroklima verbessert und die Biodiversität gefördert, heisst es weiter. «Die Entwicklung stärkt den Charakter des Bahnhofs als moderne Verkehrsdrehscheibe für den öffentlichen und den Individualverkehr und trägt zur Belebung des Ortskerns bei.» Allerdings plant die SBB direkt beim Bahnhof einen rund 90 Meter langen und fünf Stöcke hohen Riegel. «Wir planen eine standortgerechte bauliche Verdichtung an zentraler, auf den öffentlichen Verkehr ausgerichteter Lage, die auf den bestehenden Qualitäten der Umgebung aufbaut und diese stärkt», betont die SBB.
Dieser Riegel ist aber der Hauptgrund für die Einzelinitiative «Aufhebung des öffentlichen Gestaltungsplans Bahnhofstrasse» von Christiane Brasseur. «Die geplante Überbauung der SBB am Bahnhof würde das Erlenbacher Dorfzentrum grundlegend verändern. Sie fügt sich nicht in das bestehende Dorfbild ein, sondern wird die ganze Umgebung dominieren.» Der Gemeinderat sieht dies anders. Für ihn stehen Planungssicherheit und die raumplanerischen Ziele im Vordergrund. Am 19. November stimmen die Stimmberechtigten von Erlenbach darüber ab.
Ja zur Aufhebung
Der Erlenbacher Hansueli Zürcher unterstützt die Einzelinitiative Brasseur. Auch für ihn steht die Dimension des projektierten Gebäudes der SBB im Vordergrund. «Dieses stört das Ortsbild von Erlenbach aufs empfindlichste.» Als alleiniges grosses Gebäude zerstöre es als Fremdkörper die Harmonie des Dorfbildes. Aus städtebaulicher Logik müssten dort mehrere ähnlich grosse Gebäude eventuell in Kombination mit Hochhäusern geplant werden, was «definitiv niemand wünscht und hoffentlich illusorisch bleibt». Sein zweites Argument umfasst die Verdichtung.
«In Erlenbach wurde in den letzten Jahren flächendeckend verdichtet gebaut, was sich widerspiegelt im Bevölkerungswachstum. Eine weitere Verdichtung ist nicht wünschbar.» Die geplanten Kleinwohnungen dienten nicht einer sinnvollen Dorfentwicklung sondern der umstrittenen Zuwanderung. «Daneben gibt es alle Argumente wie Schattenwurf, Lärmreflektionen und gestörte Luftzirkulation», fasst Zürcher zusammen. Gegen die Erstellung von Gebäuden in ortsüblicher Dimension und Abstand hätten sie aber nichts einzuwenden.
Weiter weisen die Initianten darauf hin, dass mit dem Neubau des Migrosgebäudes und der Einfahrt zur Tiefgarage SBB am Ende der Bahnhofstrasse eine Konzentration des Verkehrs unabsehbarer Grössenordnung entstehe.
Und ein «wohlüberlegtes» Verkehrskonzept sei im Gestaltungsplan nicht enthalten. Die Initianten sind der Meinung, dass die ganze Verkehrserschliessung neu überdacht werden muss. Und dies gehe nur, wenn der Gestaltungsplan aufgehoben würde.
Ein Beispiel für das «Verkehrspuff» sei die Erschliessung des Areals südöstlich des Bahnhofs, das Sigst-Areals. Diese sei nach der Unterschutzstellung des Diener-Hauses ein «unmögliches Gewürge». Es würden Planstudien der Mitinitiantin Brasseur vorliegen, die zeigen würden, dass durch die Aufhebung des Gestaltungsplans und die Rückkehr zur Regelbauweise ein Weg gefunden werden könnte, Ortsbild verträglich zu bauen.
Betreffend Planbeständigkeit, ein Argument der Befürworter des Gestaltungsplans , weisen die Initianten darauf hin, dass dies nur dann von Bedeutung wäre, wenn es tatsächlich konkrete Projekte gäbe, die deswegen nicht ausgeführt werden können. «Wo es keine konkreten Pläne gibt, braucht es auch keine Planbeständigkeit.»
Mit den SBB kamen die Initianten nicht ins Gespräch. «Wiederholt wurde uns Initianten eine Diskussion und ein Gedankenaustausch mit der SBB in Aussicht gestellt. Bis jetzt war für unser Anliegen aber niemand erreichbar.»
Rechtliche und planerische Gründe
Der Gemeinderat plädiert für eine Ablehnung der Einzelinitiative Brasseur. «Die Rechtssicherheit und das Vertrauen in die Planbeständigkeit stehen einer Aufhebung des öffentlichen Gestaltungsplan, der seit 10 Jahren gültig ist, klar entgegen», betonte er bereits an der Gemeindeversammlung vom 19. Juni. Zudem hätte die Aufhebung des Gestaltungsplan erhebliche Auswirkungen im Teilgebiet Sigst. Dort besteht seit dem Jahr 2019 der private Detailgestaltungsplan Sigst Süd. «Bei einer Annahme der Initiative würde dem privaten Gestaltungsplan die Grundlage entzogen», betont der Gemeinderat.
Weiter entspreche die angestrebte Verdichtung den übergeordneten Vorgaben des Raumplanungsrechts. «Eine Aufhebung des Gestaltungsplan würde die raumplanerischen Ziele schwächen».