Fahnenübergabe mit «Götti» Mario Fehr

Erstellt von Daniel J. Schüz |
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300 Soldaten der Territorial-Division 4 marschierten am Mittwoch vergangener Woche zum Wehrmänner-Denkmal auf die Forch, um das Kommando in neue Hände zu übergeben. Anwesend war Regierungsrat Mario Fehr, nicht eingeladen hingegen Markus Ernst, der Küsnachter Gemeindepräsident.

Es mutete an wie ein kleines Erdbeben, das vor einer Woche den Denkmalhügel erschütterte – und manch ein Spaziergänger auf der Forch mochte geglaubt haben, jetzt sei er da, der Krieg ... 300 Soldaten marschieren stampfend im Gleichschritt zur Statue, die im Gedenken an die Aktivdienstler des Ersten Weltkrieges hoch in den Himmel ragt. Die Mienen der Männer  – unter ihnen vier Frauen und unter diesen Kompanie-Kommandantin Hauptmann Lorella Kessler – sind ernst, ihr Outfit ist martialisch: Tarnanzug, Helm aufgesetzt, Sturmgewehr vorgehängt.

Sechseläuten im Winter?

Die Musikanten vom Spiel-Zug, in historische weiss-rote Uniformen gekleidet, blasen und trommeln den Sechseläuten-Marsch. Den Sechseläuten-Marsch? An ­einem gewöhnlichen Mittwoch in der ­Vorweihnachtszeit und nicht am Sechseläuten-Montag im Vorfrühling? Nachmittags um vier und nicht abends um sechs? Im Zürcher Oberland und nicht unten am See? Unter einer stilisierten, in Bronze erstarrten Flamme und nicht vor dem lodernden Scheiterhaufen mit dem todgeweihten Böögg?

Spätestens als der düster-monotone Fahnenmarsch die Züri-Hymne ablöst, wird klar, dass es hier nicht um die traditionelle Hinrichtung eines Winters geht, der noch gar nicht begonnen hat, sondern um die Standarte: Alles dreht sich um die Fahne mit dem weissen Kreuz auf rotem Grund, die als Symbol für Heimat und Macht vom scheidenden Bataillonskommandanten Maurus Gamper an seinen Nachfolger Stefan Weber, ebenfalls Oberstleutnant im Generalstab, übergeben wird.

Die Schweizerfahne prangt auch vor dem schlichten, aus Holzkisten zusammengenagelten Rednerpult – und dahinter steht der Mann, der in der vergangenen Woche auf dem Gelände des Flughafens das Land gerettet hat. Zumindest im Rahmen der Übungsanlage «Skill Grande» (frei übersetzt etwa: «Grosse Fähigkeit»). Demzufolge sind feindliche Kräfte hinter der nördlichen Landesgrenze aufmarschiert; jetzt muss das Bataillon mit seinen vier Kompanien die Verbindung zwischen den ausgerückten Truppen und dem Divisionskommando sicherstellen.

«Ein wichtige Aufgabe», lobt Maurus Gamper seine Truppe. «Sie ist gut bis sehr gut bewältigt worden.» Dann kommt er auf den Schauplatz der Zeremonie zu sprechen: Von hier aus – sein Blick schweift vom Alpstein mit dem Säntis im Nordosten bis zum Berner Oberland mit dem Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau im abendlichen Dämmerlicht – könne man das halbe Land überblicken: «Das ist die Heimat, die es zu schützen und zu verteidigen gilt!» Mit dem Wehrmännerdenkmal sei die Forch aber auch ein militärhistorisch «bedeutsamer Ort» und zudem der geografische Mittelpunkt zwischen Hinwil, Pfäffikon, Bäretswil, Wetzikon und Meilen, womit er die Gemeinden würdigt, die im Rahmen dieses WK als Truppenstandorte dienen. Und deren Präsidenten als Ehrengäste eingeladen worden sind.

Diplomatische Worte

Einer aber fehlt: Markus Ernst, Präsident der Gemeinde Küsnacht, auf deren heiligstem Grund und Boden das martialische Spektakel zelebriert wird. Als Brigadier und stellvertretender Kommandant der Territorial-Division 2 ist er einer der höchsten Offiziere der Schweizer Armee. Und doch ist er nicht vor Ort, wenn sein Feldherren-Hügel zum Schauplatz einer Standarten- und Kommando-Übergabe wird. «Es liegt an den Veranstaltern, zu entscheiden, wen sie einladen möchten.» Ebenso diplomatisch wie lapidar kommentiert der Küsnachter Gemeindepräsident die Erkenntnis, dass er als territorialer Gastgeber nicht nur nicht eingeladen, sondern nicht einmal über den militärischen Aufmarsch informiert worden ist. Er wäre gewiss gerne auf die Forch gekommen; denn «als Gemeindepräsident nehme ich, wenn es sich einrichten lässt, fast alle Einladungen an».

Warum aber wurde er nicht informiert und eingeladen? «Zur Standartenübergabe», meint Bataillonskommandant Maurus Gamper, «lade ich in der Regel nur die Präsidenten der Gemeinden ein, die der Truppe Unterkunft gewähren.» Zu denen gehört Mario Fehr zwar nicht, doch als Regierungsrat und Zürcher Sicherheits­direktor ist er der politische Vorgesetzte der Soldaten – und «mächtig stolz, dass ich der ‹Götti› dieser Truppe sein darf», wie er in seiner Ansprache betont. Gut hundert Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, fährt Fehr fort, erlange die symbolträchtige Lage der Forch erneut eine brisante Aktualität: «Mit den Kriegen im Nahen Osten und in der Ukraine, aber auch angesichts der wachsenden Terrorgefahr ist es notwendiger denn je, dass wir ausrüsten und nachrüsten.» Divisionär Willy Brülisauer steigt als Letzter auf das Rednerpult und findet das ganz gut so; denn dann «haben die Vorredner das Wichtigste ja schon gesagt».

Das wirklich Wichtige folgt erst nach dem Rückmarsch: ein «Apéro riche» im Aescher Zollingerheim für Offiziere und geladene Gäste; für alle anderen eine Suppe in der Truppenunterkunft. «Es Zürcher Gschnätzlets statt Bündner Gerste», meint ein Soldat, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, «wäre nicht schlecht gewesen.»