Organist Rudolf Meyer kehrt an seinen Geburtsort Küsnacht zurück. Vor dem Auftritt gewährt der erfahrene Musiker tiefe Einblicke in seine persönlichen und künstlerischen Beweggründe. Hier wurde er getauft, konfirmiert, getraut.
Am 15. Juni erwartet die reformierte Kirche Küsnacht ein besonderes musikalisches Ereignis: Der erfahrene Organist Rudolf Meyer kehrt in den Ort seiner Kindheit zurück, um ein Konzert zu geben. Der Auftritt in Küsnacht stimmt den Musiker emotional. «Es erfüllt mich mit grosser Freude, als bald 81-Jähriger noch einmal die Orgel in der Kirche meines Vaters spielen zu dürfen, wo er als Pfarrer diente und ich getauft, konfirmiert und getraut wurde.» Tatsächlich war Werner Meyer von 1941 bis 1974 Pfarrer in Küsnacht, er verstarb kurz nach seinem 100. Geburtstag 2009 im Altersheim Domleschg. Für Sohn Rudolf Meyer ist die reformierte Kirche Küsnacht deshalb nicht nur ein Konzertort, sondern ein Ort voller Erinnerungen und persönlicher Bedeutung.
Musikalische Familie
In den 1950er-Jahren war das Pfarrhaus an der Glärnischstrasse ein Zentrum des musikalischen Lebens. Meyers Schilderungen zeichnen ein Bild von einer Familie, in der Musik allgegenwärtig war. «Vor und nach jeder Mahlzeit wurde meist mehrstimmig gesungen, sodass in uns ein grosser, blühender Liedergarten angelegt wurde», erinnert sich der Organist. Diese musikalische Früherziehung prägte ihn tief und ebnete den Weg für seine spätere Karriere als Musiker, auch wenn dieser über einige Umwege führte.
Das Repertoire spiegelt Meyers tiefe Verbundenheit mit der geistlichen Musik wider. Mit Werken von Bruhns, Tunder, K. Huber, Reubke und Bach hat er ein Programm zusammengestellt, das sowohl Tradition als auch persönlichen Ausdruck vereint. «Die Psalmen, Leserbriefe der Menschen an die göttliche Redaktion, loben und klagen und sind uns sehr nahe in unseren Gefühlen, vor allem die empörenden!», erklärt Meyer seine Motivation. Seine Darbietung ist mehr als nur ein Konzert, es ist eine Predigt in Klängen, eine musikalische Reflexion über die Psalmen 31 und 94.
Ausserordentlich fasziniert zeigen sich Meyer und seine Zuhörer von den Werken «In te domine speravi» von Klaus Huber und dem 94. Psalm von Julius Reubke. Der Musiker schildert die Bedeutung dieser Stücke mit grosser Leidenschaft. Huber, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, steht für den Aufbruch der evangelischen Schweizer Kirchen nach den Weltkriegen. Reubkes Werk hingegen ist ein kraftvoller Ausdruck jugendlichen Protests gegen das Unrecht der Welt. «Nach einer Spielpause von 20 Jahren mit diesem Opus begegne ich dem Notentext völlig neu, vor allem dienend», beschreibt Meyer seine aktuelle Auseinandersetzung mit Reubkes Musik.
Ein Lehrmeister für seine Schüler
Neben seiner Tätigkeit als Organist hat Meyer auch als Pädagoge zahlreiche junge Musikerinnen und Musiker geprägt. Sein Ansatz war stets individuell und flexibel, geprägt von dem Leitsatz seines Vaters «Tempora mutantur et nos mutamus in illis» («Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen»). Meyer betont die Wichtigkeit, sich den Voraussetzungen jedes Schülers individuell «auszugestalten» und gemeinsam mit ihnen die Musik zu «erwandern, ähnlich einem Spaziergang durch das Küsnachter Tobel».
Rudolf Meyers Konzert in Küsnacht verspricht, nicht nur ein musikalisches Ereignis, sondern eine tief bewegende Reise durch persönliche und klangliche Landschaften zu werden. Es ist eine Feier der Erinnerung, der Tradition und der stets lebendigen Kraft der Musik. Mit tiefer Dankbarkeit und Wertschätzung dafür, dass er immer noch die Fähigkeit und Gelegenheit hat, seiner Leidenschaft, dem Orgelspiel, nachzugehen, schliesst Meyer das Gespräch: «Den guten Mächten bin ich von Herzen dankbar, dass ich noch spielen kann!»
Orgelkonzert mit Rudolf Meyer. Samstag, 15. Juni, 19 Uhr, reformierte Kirche Küsnacht, Eintritt frei, Kollekte
BOX
Ein Küsnachter, weit über die Landesgrenzen bekannt
Rudolf Meyer, geboren 1943 in Küsnacht, zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten der Schweizer Orgelszene. Als Organist, Komponist und Musikpädagoge hat er sich weit über die Landesgrenzen hinaus einen Namen gemacht. Seine Laufbahn wurde durch einen Studienaufenthalt in Paris 1966 geprägt, wo er bei Marie-Claire Alain Orgel und bei Claude Terrasse Kontrapunkt lernte. Seine Ausbildung vervollständigte er durch Meisterkurse bei Anton Heiller, Luigi Ferdinando Tagliavini, Jean Guillou und Nikolaus Harnoncourt. Meyer gründete die Capella Musica Loquens Zürich und leitete die Internationalen Orgeltagungen Winterthur. Als Juror und Dozent ist er weltweit gefragt. Meyer engagiert sich als Fachberater bei Orgelneubauten und -restaurierungen. Mit seinem meisterhaften Orgelspiel und seinem engagierten pädagogischen Wirken hat Meyer einen unverzichtbaren Beitrag zur Weiterentwicklung und Pflege der Schweizer Orgelmusiktradition geleistet. Mehr unter: rudolfmeyer.ch