Der Häuser-Maler von Erlenbach

Erstellt von Miriam Eckert |
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Zum Malen kam er zufällig, jetzt ist es tägliche Routine und Leidenschaft. Der 80-jährige Herbert Brändli wohnt in der Erlenbacher Martin Stiftung und hat seinen ganz eigenen Stil. Bei der Werkschau in der kulturschiene am Wochenende werden auch seine Werke ausgestellt.

Zuerst kommt der Grundriss, die Mauern, das Dach. Sind Fenster, Türen und Fassade fertig, malt Herbert Brändli den Umschwung des Hauses. Erst dann zieht er die Konturen der Landschaft, den Horizont. Vorzeichnen ist überhaupt nicht seine Sache. Er malt langsam, aber stetig. Kleine, quadratische Formate sind ihm am liebsten. Seine schlanke Hand mit den knöchrigen Fingern hält den Stift fest und lässt ihm doch Schwung für die Linien. Denn diese sind Herbert Brändlis Markenzeichen. Einfarbige Linien. Nebeneinander gereiht ergeben sie ein schimmernd leuchtendes, buntes Ganzes.

Wo er gerne wohnt

Und noch etwas prägt seine Kunst: Häuser. Häuser, in denen er schon gewohnt hat – und das sind viele. Oder in denen er gerne wohnen möchte. «Hier ist ein Bauernhaus», erklärt Brändli und zeigt auf eines seiner Bilder. Neben dem Bauernhaus steht eine Scheune. Durch den Querschnitt ist das Innere zu sehen. «Oben sind Heu- und Strohballen. Unten gehen die Kühe essen», erläutert er. Durch ein Loch in der Decke werden die Ballen hi­nunter in den Stall geworfen.

Sein ganzes Leben hat Herbert Brändli in der Landwirtschaft gearbeitet. Mit 14 Jahren kam er in die Martin Stiftung und wohnte zunächst im Gründerhaus Mariahalde in einer Wohngruppe. Er half bei der Landwirtschaft der Stiftung mit und beim Nachbarn Herrn Roth. «Der hatte einen guten Traktor und ich durfte ihn fahren. Ich war ein sehr guter Traktorfahrer», erinnert er sich. «Einmal wurden dort drei Schweine geschlachtet. Seitdem bin ich Vegetarier.»

Seit 66 Jahren lebt Herbert Brändli in der Martin Stiftung und zählt damit zu den langjährigsten Bewohnern. Seit 15 Jahren ist der 80-Jährige pensioniert. Seitdem verbringt er seine Tage in den Ateliers der Martin Stiftung. Hier kam er auch zum Malen. Am liebsten ganz früh am Morgen, wenn noch niemand von den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern da ist. «Um acht Uhr bin ich schon da», erzählt er mit einem Lachen. 

Markenzeichen: Pfeife

Herbert ist Frühaufsteher und liebt Rituale. Jeden Morgen um sechs Uhr sitzt er auf der Terrasse seiner Senioren-Wohngruppe. Dort raucht er auf einem urchigen Jass-Holzbänkli seine erste Pfeife. Diese ist sein Markenzeichen. Genau wie sein Bart und sein Jackett, in dessen Tasche auf der Innenseite die Pfeife ihren festen Platz hat. Das Hemd trägt er in der Hose und diese zieht er mit seinem Appenzeller Gürtel sehr fest um seine dünne Taille.

Dass es ein Appenzeller Gürtel ist, ist kein Zufall. Herbert Brändli wurde in ­Urnäsch geboren. Schon früh gaben ihn die Eltern ab. Über Wetzikon, Regensberg, Brütten und Wädenswil kam er als Jugendlicher zur Martin Stiftung. Aber die Liebe zum Appenzell und den Bergen ist ihm geblieben. Diese malt er oft. Ausserdem hat er noch einen Traum: Er möchte in einer Volksmusik-Gruppe die Klarinette spielen. «Üben muss ich dafür. Aber das mache ich gerne», sagt er.

In seinen ersten Bildern sind oft ein Zug oder ein Postauto zu sehen, mit denen er die Schweiz erkundet hat. Herbert malt die verschiedenen Heime, in denen er gelebt hat, wie auch Ferienhäuser. Über die Jahre sind die Motive weniger geworden, die Farbflächen kleiner, die neben­einander gezogenen farbigen Linien zahlreicher. Die aktuellen Bilder mit den Häusern schimmern und scheinen mit ihrer Umgebung zu verschmelzen. Dies ist auch seinen aktuellen Lieblingsstiften zu verdanken, den farbigen Gelstiften mit ein wenig Glitzer.

Mit viel Geduld zieht Herbert Brändli eine Linie nach der anderen. Nicht zu fest drücken darf man, «sonst gibts ein Loch im Papier», weiss er. Beim Malen spricht er nicht, er ist voll konzentriert. Gerne wäre er Architekt geworden, erzählt er. Aber jetzt male er Häuser.

Eine Woche Zeit benötigt er, bis eine Karte im A5-Format fertiggestellt ist. Diese verkauft er im Quartierladen der Stiftung Zum Feinen Martin. An der Werkschau der Ateliers werden die diesjährigen Bilder gezeigt. Die Werke von Herbert Brändli und vielen anderen Kunstschaffenden der Martin Stiftung werden am 27. und 28. August in der kulturschiene Herrliberg ausgestellt und verkauft.

 

Werkschau in der Martin Stiftung Erlenbach Bilder und Skulpturen, gestaltet von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ateliers der Martin Stiftung, sind am Wochenende vom 27. und 28. August in der Kulturschiene Herrliberg ausgestellt. Die Werkschau ist an beiden Tagen von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Weitere Infos auf www.martin-stiftung.ch/aktuelles