Das neue Rütibühl bietet ein Zuhause für 32 Menschen mit Beeinträchtigung

Erstellt von Manuela Moser |
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Der 26-Millionen-Neubau der Martin Stiftung ist fertig gebaut, das alte Heim Rütibühl im Grenzgebiet zwischen Herrliberg und Küsnachterberg wurde durch vier Gebäude ersetzt: zwei Wohngebäude, ein Gemeinschaftshaus und ein Atelier. Noch fehlen 1,4 Millionen zum Spendenziel. 

Nach zwei Jahren Bauzeit zieht Anfang Juni neues Leben in den Neubau Rütibühl der Martin Stiftung ein. In vier Gebäuden entstehen 32 Wohn- und Tagesstrukturplätze für Menschen, die oft auf verschlossene Türen stossen: vorwiegend ältere Menschen mit Behinderung und einer demenziellen Entwicklung sowie Menschen mit schweren Formen von Autismus-Spektrum-Störung und herausforderndem Verhalten. Im neuen Rütibühl finden diese Menschen in ­einer ruhigen, reizarmen Umgebung Schutz und Entlastung. Die Nachfrage nach solchen Plätzen ist gross. Die Martin Stiftung ist für die Realisierung des Baus auf Spenden angewiesen.

In der Martin Stiftung in Erlenbach leben und arbeiten gut 170 Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung. Seit 2016 gehört auch das ehemalige Heim Rütibühl in Herrliberg zur Martin Stiftung. Im Rütibühl lebten seit der Gründung in den 1950er-Jahren ausschliesslich Frauen. Mit der Integration in die Martin Stiftung eröffneten sich neue Möglichkeiten. In Absprache mit dem kantonalen Sozialamt entstand ein neues Betriebskonzept, das sowohl den Anforderungen an ein behinderten­gerechtes Wohnen als auch den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention Rechnung trägt.

32 Plätze verteilt auf vier Gebäude

Im neuen Wohnhaus Rütibühl entstehen 32 Wohnplätze verteilt auf vier Wohngruppen: Genau gesagt sind es zwei gemischte Wohngruppen mit je acht Plätzen für vorwiegend ältere Menschen mit Behinderung, eine Wohngruppe mit zehn Plätzen für Menschen mit Behinderung und einer demenziellen Entwicklung sowie eine Wohngruppe mit sechs Plätzen für Menschen mit Behinderung und herausforderndem Verhalten. Davon sind zwei Plätze sogenannte Timeout-Plätze für Menschen in der Krise, die auch Partner­organisationen zur Verfügung stehen. Solche Plätze verhindern oft eine Einweisung in die Psychiatrie.

In einem weiteren Gebäude befindet sich die Tagesstruktur mit Seniorenclub und Atelierbereich. Dort arbeiten die Bewohnerinnen und Bewohner nach ihren Möglichkeiten am Produkteangebot der Stiftung mit. Im gleichen Gebäude befindet sich ein «Snoezelraum»: Dabei handelt es sich um einen Raum, in welchem sich Bewohnende in angenehmer und stimulierender Atmosphäre entspannen können. Dieses Angebot steht allen Bewohnenden der Martin Stiftung offen.

Im vierten Gebäude sind ein Mehrzweckraum, eine (nicht öffentliche) Cafeteria, Büros, Hauswirtschaft und Anlieferung untergebracht. Drei Gebäude sind unterirdisch miteinander verbunden, was effiziente Abläufe garantiert.

Neu verfügt das Rütibühl über eine Tiefgarage mit elf Parkplätzen, eine Vorgabe aus dem Gestaltungsplan, weil keine Aussenparkplätze möglich sind. Da keine öffentlichen Busse verkehren, stellt die Martin Stiftung einen eigenen Shuttleservice zu Schichtbeginn und -ende des Fachpersonals – was eine grosse Herausforderung und mit Mehrkosten verbunden ist. Bei Menschen mit Behinderung, die ein herausforderndes Verhalten zeigen, handelt es sich zum Beispiel um Menschen mit schweren Formen von Autismus-Spektrum-Störung, die Schwierigkeiten haben, Reize zu verarbeiten. In ihrer Ohnmacht reagieren sie mit Wut und Überforderung und können damit sich selbst und ihr Umfeld gefährden.

Diese Menschen brauchen eine enge Begleitung in einer speziellen Infrastruktur. Die neue Wohngruppe Smaragd bietet sechs dieser Menschen ein Zuhause. Die Wohngruppe und ins­besondere die Zimmer der Bewohnenden sind speziell ausgestattet – mit ­geschützten Loggias, Schutzglas, Begegnungstüren und stark gedämmten Wänden. Das Mobiliar ist praktisch unzerstörbar. Ein Krisen-Interventionsraum hilft, zur Ruhe zu kommen.

Rigorose Kostenkontrolle

Als privatrechtlich organisierte Stiftung mit einem Leistungsauftrag des Kantons erhält die Martin Stiftung Betriebs- und Baubeiträge vom Kanton Zürich. Die Baubeiträge für den Neubau decken nur rund 30 Prozent der Kosten ab, für rund 70 Prozent der Baukosten muss die Stiftung selbst aufkommen. Die Martin Stiftung deckt diese Kosten mit Darlehen, Hypotheken und Spenden. Rund 6 Millionen Franken Eigenmittel, die aus Rückstellungen des ehemaligen Vereins Rütibühl stammen, sind ebenfalls in den Neubau geflossen.

Viele Angebote, die heute zum Standard gehören, sind zudem nicht beitragsberechtigt – zum Beispiel die Solaranlage, die Wärmepumpe oder die Parkgarage. Verzichtet die Bauherrschaft aus Kostengründen auf solche Angebote, entstehen neue Problemfelder: So sind insbesondere Parkplätze – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels – unabdingbar. Der Verzicht auf eine Solaranlage wäre aus heutiger Sicht ein Fehler und würde auf Unverständnis in Fachkreisen und der Bevölkerung stossen. Der Martin Stiftung ist es dank einem strengen Kostenmanagement gelungen, das Budget von rund 25,86 Millionen Franken nur marginal zu überschreiten. Die prognostizierten Mehrkosten betragen rund 300 000 Franken, was in etwa der Teuerung im selben Zeitraum entspricht.

Noch fehlen rund 1,4 Millionen

In einem schwierigen Spendenumfeld mit weltweiten Katastrophen, Kriegen und einer Pandemie ist es der Martin Stiftung gelungen, rund 4,6 Millionen Franken an Spenden zu sammeln. Dazu beigetragen haben geldgebende Stiftungen, Unternehmen, Kirchgemeinden und viele Privatpersonen. Standort- und Bezirksgemeinden unterstützen das Bauvorhaben mit Beiträgen in der Höhe von 775 000 Franken.

Noch fehlen rund 1,4 Millionen Franken, um das Spendenziel zu erreichen. Letzteres ist wichtig für die Entlastung der Betriebsrechnung und ­sichert die Betreuungsqualität.

* Leiterin Kommunikation Martin  Stiftung, Erlenbach

Tag der offenen Tür

Am Samstag, 25. Mai, findet von 11 bis 16 Uhr ein Tag der offenen Tür statt, mit Führungen durch zwei Wohngruppen, Ateliers und den Silent Garden, einen geschützten Therapiegarten. Für Unterhaltung sorgen der Clown Nuny und die Swiss Ländler Gamblers. Die Firma Bregal engagiert sich ehrenamtlich und verkauft selbst gebackene Kuchen. Mit den Einnahmen soll ein besonderer Wunsch der Bewohnenden erfüllt werden: eine Hollywoodschaukel im Silent Garden.

Shuttles verkehren regelmässig ab Erlenbach, Herrliberg und dem grossen Parkplatz auf der Forch. Nebst normalen Shuttles verkehren auch zwei Oldtimer-Busse ab Erlenbach und Herrliberg.

Mehr Infos und Veranstaltungsflyer auf der Website mit der Adresse: ­martin-stiftung.ch/aktuelles/