Dank der individuellen Besteuerung von Paaren soll es attraktiver werden, Teilzeit zu arbeiten. Im Kanton Zürich engagiert sich Bettina Balmer besonders für die eben lancierte eidgenössische Volksinitiative – weil sie selber entsprechende Erfahrungen gemacht hat.
Die Kinderchirurgin Bettina Balmer weiss aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist, als Familienfrau Karriere machen zu wollen. Wobei Karriere relativ ist. «Es war vor zehn Jahren im Kinderspital auf der Chirurgie noch unmöglich, weniger als 40 bis 50 Stunden pro Woche zu arbeiten.» So ging Bettina Balmer zwangsläufig in eine Praxis arbeiten. Sie wollte Teilzeit arbeiten, um sich auch noch um ihre Kinder kümmern zu können. «Finden Sie einmal eine Kinderfrau, die den Nachwuchs zum Büffeln von Lateinwörtli bringt», lacht die 55-Jährige, die für die FDP seit sechs Jahren im Kantonsrat sitzt. Politisiert hat sie dieses Erlebnis im Kinderspital.
Teilzeit lohnt sich oft nicht
«Es kann doch nicht sein, dass sich Beruf und Familie heute noch so schlecht vereinbaren lassen», sagt sie. Ein wichtiger Punkt sei dabei das Steuersystem. «Noch heute lohnt sich Teilzeit finanziell oft nicht, höhere Steuern bei Paaren sowie Mehrkosten etwa bei Krippenplätzen fressen alles wieder weg», stellt Balmer fest. Das sei einer der Gründe, warum gerade in Pflegeberufen der Arbeitskräftemangel so gross sei. Eine Lösung dieser Misere ist für Bettina Balmer die eben auf nationaler Ebene lancierte Initiative für die Individualbesteuerung. «Mit der Volksinitiative zur Einführung der Individualbesteuerung haben wir es jetzt in der Hand, die Arbeitsleistung und das Vermögen von Paaren getrennt und damit fair zu besteuern», so der Slogan der breit abgestützten Idee. Denn neben FDP-Frauen wie Bettina Balmer und Doris Fiala sitzen auch Vertreterinnen der Grünen und der SP im Unterstützungskomitee, etwa Nationalrätin Marionna Schlatter (Grüne) und die SP-Stadtpräsidentin Corine Mauch.
Für Bettina Balmer ist die Initiative eine «geniale Sache», auch, weil im Initiativtext festgehalten ist, dass die Räte nach einem Ja an der Urne drei Jahre Zeit haben, eine Vorlage auszuarbeiten. «So wird das Anliegen nicht auf die lange Bank geschoben. Es wird Zeit dass wir endlich gleichziehen mit den skandinavischen Ländern, welche die Individualbesteuerung schon lange kennen.» Aber bedeutet die Idee nicht einfach immense Steuerausfälle und demzufolge einen höheren Steuerfuss?
800 Millionen Steuerausfälle?
Balmer kennt die Kritik. Eine Ecoplan-Studie der Müller-Möhl-Stiftung hat tatsächlich Steuerausfälle von national 800 Millionen Franken errechnet. Gleichzeitig aber auch die Äquivalenz von 60 000 Vollzeitstellen. Sprich: Ehepartner arbeiten wieder vermehrt und kehren so in die Wirtschaft zurück. «Das behebt den Fachkräftemangel», ist Balmer überzeugt. Das zweite Gegenargument betrifft die befürchtete Mehrarbeit der Steuerämter. «Da setze ich voll auf die Digitalisierung, das sollte machbar sein.» Balmer kniet sich voll rein in die Kampagne und ins Unterschriftensammeln. «Wir wollen 10 000 Unterschriften sammeln und so im Kanton Zürich einen Zehntel der national erforderlichen 100 000 Unterschriften beitragen.» Vors Volk kommt das Anliegen frühestens 2024. (ls.)