Anna Zwicky (90) ist Bewohnerin im Küsnachter Altersheim Wangensbach. Die Zeit vertreibt sie sich dort am liebsten mit Kunstmachen. Ihre Sammlung an selbst bemalten Steinen wächst dabei immer weiter. Unter den imaginierten Gesichtern gibt es sogar einen Putin.
In einem der kleinsten Zimmer des Altersheims in Küsnacht wohnt die fast 90- jährige Anna Zwicky. Durch die Tür gekommen, erwartet einen ein buntes Reich voller kleiner Schätze. Der ganze Tisch ist belegt von selbst bemalten Steinen. An jeder Wand hängen etliche Fotos der Familie. Dazwischen grossformatige Bilder mit vielen Farben. «Die sind von meiner Tochter Barbara, sie malt selber auch.» Das Talent, zwinkert die betagte Dame, habe sie wohl von ihr geerbt.
Die betagte Hobbykünstlerin hat auch zwei erwachsene Söhne und fünf Enkelkinder, die sie alle regelmässig besuchen. Langweilig wird es ihr hier auf keinen Fall. «Ich habe immer etwas zu tun. Manchmal lese ich ein Buch oder die Zeitung, oder ich füttere die kleinen Spatzen auf dem Balkon», sagt sie. Am liebsten verbringt die Seniorin aber ihre Zeit mit dem Bemalen der Steine.
Steine als Leinwand
Beim Tisch steht ein kleines Ablageregal mit all den unbehandelten Steinen, geordnet nach Grösse und Form. «Die meisten sammle ich selbst beim Spazieren im Garten, bald gibt es dort keine mehr», meint sie schmunzelnd. Die gesammelten Steine verziert sie mit wasserfesten Filzstiften. Meistens sind es Gesichter, aber auch kleine Figuren sind dort zu finden. Diese erschafft sie, indem sie mehrere Steine zusammenklebt. Der Künstlerin ist es auch wichtig, dass die Steine ihren Charakter behalten, deshalb bemalt sie diese nicht komplett, sondern lässt den grauen Hintergrund stets durchschimmern.
Bei ihren vielen Steinen fragt man sich schnell, woher Anna Zwicky die Ideen dafür nimmt. «Ich schaue den Stein an und dann ergibt es sich einfach. Diesen hier habe ich nach Putin bemalt, weil er einfach dieselbe Gesichtsform hat», lacht die Künstlerin und zeigt auf einen kleinen ovalen Stein mit einem bemalten Gesicht. Wie lange sie für einen dieser Steine braucht, weiss sie nicht genau. «Ich spüre die Zeit nicht, wenn ich daran arbeite. Es macht mir einfach Spass.» Das sei das Schöne an der Kunst, sie kenne keine Altersbegrenzung, sagt die alte Frau und streicht über das kleine Kunstwerk in ihrer Hand.
Ein «Bauernhofmeitli»
Anna Zwicky ist auf einem kleinen Bauernhof in Baselland aufgewachsen, zusammen mit ihren Eltern, sechs Geschwistern und etlichen Tieren. Sie ging dort auch zur Schule, aber lernte danach nie einen Beruf. «Ich habe ganz viel ausprobiert, aber ich musste meiner Mutter im Haus und am Hof helfen», erzählt sie. So gehörte es zu ihrem Alltag, die Kühe zu melken, die Hühner zu füttern, die anderen Tiere zu pflegen und nebenbei auch ihren Geschwistern bei Hausaufgaben zu helfen. «Schon damals habe ich mir gerne Zeit genommen zum Malen, damals noch mit Buntstiften auf Papier», sagt Anna Zwicky lächelnd.
Sie denkt gerne an diese Tage zurück, das verraten nicht nur ihre glänzenden Augen, sondern auch die aufbewahrten Erinnerungen in ihrem Zimmer. Über ihrem Bett hängen Fotos ihrer selbst gebackenen, schön verzierten Lebkuchen. Diese hat sie vor 30 Jahren auf Auftrag verkauft, um ihre Familie finanziell zu unterstützen. «Das muss ich jetzt nicht mehr machen, ich bin ja steinreich», scherzt die fünffache Grossmutter mit einem breiten Grinsen. Die bunten Farben und Formen der Lebkuchen auf den alten Fotos erinnern stark an die Bemalungen manch ihrer heutigen Steine. Ihr früheres Leben hält sie nämlich gerne auf den Steinen fest.
Den grössten Teil ihrer bunten Steinsammlung behält die Heimbewohnerin für sich, aber manche verschenkt sie auch an Besucherinnen und Besucher. In Zukunft würde sie gerne ihre Kunstwerke verkaufen. «Wenn meine Sammlung gross genug ist, will ich einen Basar veranstalten und die Steine unter die Leute bringen. Den Erlös spende ich dann an einen guten Zweck», sagt die 90Jährige. Wofür genau, weiss sie noch nicht, das soll dann ihre Tochter entscheiden. Klar ist, Anna Zwicky ist voller Lebensfreude und Kreativität, mit der sie jeden anstecken kann.