Mit der feierlichen Eröffnung von «Wanger’s Landmetzg» ermöglichen Nils Müller und Claudia Wanger den Viehzüchtern in der Region dieVerarbeitung von Tieren, die stressfrei auf dem Hof oder auf der Weide getötet wurden. Im Interview äussern sie sich zu ihrem mutigen Projekt.
Küsnachterberg, am frühen Morgen des 29. März: Auf dem Hof «Zur Chalte Hose» steht Arabella, eine 13 Jahre alte Red-Angus-Kuh, in der Herde und rupft Kräuter aus dem Gras. Sie hebt, einen kurzen Augenblick nur, den Kopf, erkennt den Mann im Holzverschlag – und merkt nicht, dass sie in diesem Moment einen tödlichen Fehler begeht. Ein trockener Knall. Arabella kippt um. Zwischen den Augen ein kleines Loch.
Sofort bricht Hektik aus. Nils Müller, 46, Viehzüchter mit Jagdlizenz, seit zehn Jahren europaweit als Pionier der Weideschlachtung bekannt, sichert seine Büchse, holt den Traktor und schlingt eine Kette um Arabellas Hinterhuf. Der Kran hievt das 800 Kilo schwere Tier in die Höhe, der Stör-Metzger treibt das Messer in die Kehle der Kuh, nahezu zwanzig Liter Blut rauschen innert Sekunden in den Bottich.
Töten ohne Stress und Panik
Wenige Minuten später hält der Jeep mit dem Spezialanhänger im Weiler Wangen vor einem unscheinbaren Gebäude mit der sinnigen Adresse «Chalberweid 17». Das ehemalige «Schlachthüsli», bis anhin genossenschaftlich geführt und nur noch gelegentlich genutzt, war veraltet und längst nicht mehr rentabel. Bis Nils Müller und seine Frau Claudia Wanger die Liegenschaft übernahmen, gründlich renovierten und schlachttechnisch auf die Höhe der Zeit brachten.
«Wanger’s Landmetzg» markiert eine neue Ära in der Geschichte des achtsamen Umgangs mit Nutztieren: Hier werden zum ersten Mal ausschliesslich die Schlachtkörper von Tieren verarbeitet, deren Leben ohne Stress und Panik, im vertrauten Kreis der Artgenossen, beendet wurde. Dabei gebührt Arabella die Würde einer Pionierkuh: Sie ist die erste, die hier enthäutet, ausgeweidet und zerlegt, später filetiert und durch den Fleischwolf gedreht wurde.
Am vergangenen Samstag, exakt einen Monat nach Arabellas Tod, wurde «Wanger’s Landmetzg» eingeweiht. Noch einmal steht die Kuh im Mittelpunkt des feierlichen Geschehens und wird buchstäblich genossen – in Form von dreissig Kilo Hackfleisch, die Metzger Dani Bachmann, der künftig auch für die neue Landmetzg arbeiten wird, aus der Tiefkühltruhe geholt, raffiniert gewürzt und auf den Grill gelegt hat. «Es sind 240 Arabella-Burger gegangen», zieht er am Abend Bilanz.
Dazu werden Vollmond-Bier und Süssmost ausgeschenkt, das Zumiker Schwyyzerörgeli-Duo Fredy Suter und Aby Wäspe quetscht lüpfige Ländler aus der Harmonika. Und eine milde Frühlingssonne wärmt im Wechsel mit kurzen Regenschauern Körper und Seele, während Claudia und Nils den Reigen der Festredner eröffnen. In dem kleinen, aber technisch hochgerüsteten Schlachthüsli werde im wahrsten Sinn des Wortes Knochenarbeit geleistet, führt Müller aus: «Wir bieten einen Vollservice für das Tierwohl. Denn am Fliessband im Schlachthof verlieren alle ihre Würde – die Menschen und die Tiere.»
Ins gleiche Horn stösst Gemeindepräsident Markus Ernst: «Mit eurer Philosophie trefft ihr den Nerv der Zeit», lobt er den Pioniergeist des Paares. «Behaltet eure innovative Energie – und bleibt hartnäckig!» ETH-Agronom Eric Meili, der den Kampf um die amtliche Bewilligung der Weidetötung von Anfang an begleitet hat, fasst die letzten zehn Jahre zusammen: «Erst lehnte das Veterinäramt eure Gesuche ab, dann musste der Nationalrat eine Motion verabschieden, bis sich der Bundesrat vor drei Jahren gezwungen sah, das Gesetz anzupassen und der Hof- und Weidetötung zum Durchbruch verhalf.» Auch die Gespräche unter den Gästen drehen sich um die würdevolle Haltung von Nutztieren. Mariska Wieland, die in Küsnacht den Kreisladen betreibt, sieht «durchaus eine Zukunft im Handel mit stressfrei produziertem Fleisch».
Auch Notschlachtungen möglich
Gemeindepräsident Ernst freut sich auf die Badesaison; «denn in der ‹Sträme› werden Hamburger aus der Weideschlachtung verkauft». Und auch die Konkurrenz aus Bauernkreisen anerkennt den Nutzen von «Wanger’s Landmetzg»: Er betreibe zwar reine Milchwirtschaft, räumt Christian Mathys ein, «aber auch da kann es passieren, dass ein Tier notgeschlachtet werden muss. Dann bin ich froh, wenn ich es nicht zum Schlachthof bringen muss.»
Auf dem Pünthof im Nachbarweiler Kaltenstein hat die Landmetzg ihren ersten Kunden gewonnen: «Wir spielen schon lange mit dem Gedanken, unsere Tiere auf dem Hof zu töten», sagt Bauer Stefan Fenner, der dreissig Mutterkühe hält. «Jetzt ist die Möglichkeit da – und die nutzen wir!» Ihr gehe es dabei weniger um den Transportstress, ergänzt seine Gattin Karin: «Mir ist wichtig, dass unsere Kühe nicht an einem fremden Ort sterben müssen, sondern sich auch in der letzten Minute in der Geborgenheit der Herde wohl fühlen.»