Alles im grünen Bereich

Erstellt von Isabella Seemann |
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Das geheimnisvolle Eibenwäldchen, Blütenopulenz, ein Baum wie ein Beamter und die Geschichte vom Orang-Utan im Haselstrauch: Auf Streifzug im Garten des Streuli-Hauses am Küsnachter Horn.

Der gigantische Trompetenbaum am schmiedeisernen Tor zum Streuli-Haus steht in voller Blust. Abertausende weisse trompetenförmige Blüten leuchten in der Nachmittagssonne gegen das Grün der Blätter an. Ein überwältigender, aber nur wenige Wochen währender Augenschmaus. «Im Volksmund nennt man die Catalpa auch Beamtenbaum: Er kommt spät und geht früh», scherzt Christian R. Schmidt. Sein 2700 Quadratmeter grosser Garten am Seeufer ist zwar nicht öffentlich, jedoch bewusst nicht durch hohe Mauern abgeschottet wie vielenorts an der Goldküste, und integriert sich somit nahtlos mit der Natur rundherum. Weil passionierte Gartenbesitzer neben dem Gärtnern nichts lieber tun, als ihr blühendes Reich mit anderen zu teilen, freuten sich Christian R. Schmidt und seine Ehefrau Anne­marie Schmidt-Pfister über die Anfrage des Vereins Ortsgeschichte Küsnacht zur Besichtigung des grossen, alten Gartens des Streuli-Hauses und gaben Einblick auch in die verborgenen Ecken, erzählten amüsante Anekdoten und weihten in die Geschichte des Anwesens ein, die auch die Geschichte Küsnachts spiegelt.

Vergangene Gartenkultur spürbar

Mittlerweile lebt die vierte, fünfte und sechste Generation in dem nach Vorfahr Alfred Streuli benannten Haus. Eine Tabakpflanze gleich hinterm Eingang steht da als Hommage an die Tabakstampfe, die vor genau 200 Jahren in einer Scheune am Horn eingerichtet wurde. Die Gartenkultur der früheren Jahrhunderte ist noch immer spürbar, auch wenn der Garten heute verschiedenen modernen Bedürfnissen entgegenkommt. «Er dient nicht mehr nur als Nutz- und Ziergarten wie früher, sondern auch dem Natur- und Artenschutz sowie als Erholungsraum», betont Annemarie Schmidt während der Führung durch die verschiedenen Gartenräume, die ganz unterschiedlichen Pflanzen und Tieren Lebensraum bieten. «Wir sind bestrebt, den alten Bauerngarten vor dem Haus mit Gemüse, Beeren, Kräutern und Blumen zu bewahren.» Auch der Laubengang, der in voller Blüte steht, ist bis heute in Teilen erhalten; hier wachsen schattenspendende Apfel-, Birn- Kiwi- und Feigenbäume. Der Schopf ist rundherum mit Efeu, Reben, Clematis und Kletterrosen bewachsen. Dienten der Forellen- und der Ententeich einst als Nahrungslieferanten, so entstand aus einem ein Rhododendronrondell, aus dem anderen ein Biotop mit Schwertlilien und Bergmolchen, Kröten und Libellen.

Im romantischen Eibenwäldchen bilden die gewaltigen Strünke von drei im Sturm gefallenen Rottannen den Nährboden für Pilze, Moose und Storchenschnabel. Hinten wird der Garten durch eine Hecke mit einheimischen Sträuchern abgeschlossen, unter denen Ast- und Steinhaufen Lebensräume für Igel und Blindschleichen bieten. Nicht weniger als 60 verschiedene Vogelarten hat der zoologisch versierte Hausherr, Christian R. Schmidt war stellvertretender Direktor im Zoo Zürich und Direktor im Zoo Frankfurt, im Garten und vom Bootshaus aus beobachtet.

Einst wuchsen im Streuli-Haus sogar dreizehn verwaiste oder vom Zoll beschlagnahmte Affen-Babys auf, die auf dem riesigen alten Haselnussstrauch ihre ersten Kletterübungen erlernten. Das von seiner Mutter verstossene Orang-Utan-Kind Sirih erlangte als Heldin eines von Annemarie Schmidt geschriebenen Kinderbuchs Berühmtheit. Heute wird der Garten von ­einem mexikanischen Wasserhund, zwei österreichischen Pinschern und einem afrikanischen Löwenhunden bewacht und bespielt. Ein Märchengarten eben, in dem die Freude spürbar ist, die er Mensch und Tier bereitet. Mit Schwiegertochter Gabi Lerch erhielt der Posten der Chef-Gärtnerin seine Idealbesetzung: Sie ist diplomierte Landschaftsarchitektin und Dozentin an der Ostschweizer Fachhochschule. Ihr dient der Garten auch als Experimentierfeld, auf dem sie immer wieder Neues ausprobiert – und sich auch von Fehlschlägen nicht entmutigen lässt. Die Astern vermehren sich «wie verrückt» und verdrängen die anderen Blumen im Beet, und dem kahlen Judasbaum «bekommt die Nähe zum Grundwasser nicht», seufzt Lerch. Dass dieses blühende Paradies nur unter dem Einsatz von viel Zeit und Schweiss aller Bewohner zu haben ist, versteht sich von selbst. «Aber Gartenarbeit ist nicht nur Arbeit, sondern auch seelische Erfüllung», sagt Annemarie Schmidt. Und Lerch ergänzt, «wie in einer Meditation vergesse ich alles um mich herum, wenn ich mit den Händen in der Erde grabe». Keck zeigt sie ihre schwarzumrandeten Fingernägel: «Gärtnern macht glücklich.» Und das ist das Schönste dran.